Theater als Herzensangelegenheit

Premierenpublikum bejubelte „der herzerlfresser“ von Ferdinand Schmalz im Theater Unpop.
Dornbirn Die Kommerzherzchen sind weggeräumt, jetzt, eine knappe Woche nach dem Valentinstag, gilt es wieder der Kunst. Oder doch nicht. Jedenfalls prangt über dem leicht verbeulten und deshalb so wunderschön echt wirkenden Herz auf der Bühne des Kulturhauses in Dornbirn der Schriftzug „Gewerbepark. Die Neue Mitte“. Man erfasst es sofort, da trachtet wieder einmal eine Gemeinde danach, per Errichtung eines Einkaufszentrums etwas mehr Leben in einen verschlafenen Ort zu bringen. Die Pointe, an der Ferdinand Schmalz, mittlerweile gefeierter Bachmann-Preis-Träger und nicht mehr nur vom Schauspiel Leipzig, sondern auch vom Deutschen Theater in Berlin und dem Wiener Burgtheater begehrter Autor, sein Drama „der herzerlfresser“ aufhängt, wirkt wie ein schlechter Witz, denn unter dem Hoffnungsträger liegen Leichen.

Es sind nicht symbolische Leichen im Keller, deren Präsenz möglichst rasch verdrängt werden soll, sondern ermordete Frauen, denen das Herz aus der Brust gerissen wurde. Sie apern nicht grausig aus dem schlammigen Boden, sondern fallen in dieser Produktion wie Puppen urplötzlich vom Schnürboden und markieren damit die Vorgehensweise von Regisseur Stephan Kasimir und Ausstatterin Caro Stark. Die beiden Leiter des Ensembles für unpopuläre Freizeitgestaltung (kurz: Unpop) haben es nicht leicht, gilt es doch die Attraktivität eines Stücks hervorzukehren und neu zu ergründen, das seit seiner Uraufführung vor ein paar Jahren in Leipzig im deutschsprachigen Raum als Vorzeigewerk für den Stil des Österreichers, der an sich Matthias Schweiger heißt, herumgereicht wurde.
Keine Effekthascherei
Man ist ohnehin davon ausgegangen, aber Kasimir und Stark machen insofern vieles richtig bzw. haben das Publikum sofort auf ihrer Seite, weil ihnen neben einem passablen Hingucker mit Lichtschnurherz und Klettergerüst der optische Effekt schnurzegal ist. Was das Stück ausmacht, müssen Körpersprache und Sprache leisten, nur die Kundengruppe bzw. im Schmalz-Jargon die „Kundenschaft“ darf wie mit Einkaufstaschen behängte Aufziehpuppen agieren: „was wollen heißt, das wissen wir, ein jeder liebt doch das gefühl, was man auch will, das kriegt man hier, es bebt in unseren fingern kühl“.
Starke Besetzung
Wenn Robert Kahr, Hanno Dreher und Brigitte Walk am Ende ins Neonlicht von Othmar Gerster tanzen, steht keine banale Botschaft über der Bühne. Die Kraft einer antiken Tragödie weht kurz herein. Der namensgebende Herzerlfresser, ein Relikt aus der Zeit der alten Sagen, in der sich mancher per Seelenfang Heilung erwartete, spricht von der Sehnsucht, die sich bei Schmalz zur Unordnung im Leib aufbäumt und als Monolog haarscharf an der Grenze zur Schwülstigkeit angesiedelt ist. Der Autor lotet die Grenzen aus und mit ihm der Regisseur und seine Schauspieler. In klassischer Manier, aber ohne Manieriertheit gelingt es Christian Streit, entsprechende Aufmerksamkeit zu erregen. Anwar Kashlan macht als Gangsterer Andi, das heißt, als jene Figur, die Morde aufdecken soll, klar, wie viel Komik „der herzerlfresser“ verträgt. Maria Strauss ist als Florentina Fauna für die Erdung zuständig und wird somit zum Teil jener Gruppe, die diese Basis bildet, auf der Martin Carnevali als Irene und Ronald Kuste als Bürgermeister jenes Vibrieren einbringen können, das diese Inszenierung besonders anziehend macht. Leicht spitzbübisch, neugierig und dann wieder abweisend entwickelt sich zwischen den beiden ein besonderer Zauber. Wie es wirklich ausgeht, ist dabei egal, es sind die Nuancen von tiefem Ernst, kindlichem Spaß und unprätentiöser Tragik, die sich vermitteln.
Am Ende mischte sich Jubel und langer Applaus in den Klang des Herzschlags, den das Theater Unpop über den Spielraum hinaus hörbar werden lässt. Da hat das Publikum eine Produktion zur Herzensangelegenheit gemacht.
Weitere Aufführung des Stücks „der herzerlfresser“ von Ferdinand Schmalz am 21., 22., 27., 28. und 29. Februar, jeweils 20 Uhr im Kulturhaus Dornbirn: unpop.at