Die Zukunft von Isabel Pfefferkorn hat längst begonnen

Die Vorarlberger Mezzosopranistin sprengte im Montforthaus die Grenzen eines Liederabends.
FELDKIRCH Wer gewillt war, dem prallen Humor der Hochfasnat den Rücken zu kehren, für den bot sich ein höchst exklusiver Liederabend mit der in Schlins geborenen Mezzosopranistin Isabel Pfefferkorn an.
Schauplatz ist das Atrium, die Eingangs- und Pausenhalle des Montforthauses mit den elegant nach oben geschwungenen Treppenlinien und der großen Glasfront mit den vielen Lichtern von innen und außen. Eine zeitgemäße, auch akustisch gute, bisher wenig genutzte Lösung für einen offenen Konzertsaal, in dem man sich wohlfühlt, beeinträchtigt freilich durch störende Nebengeräusche durch den Restaurantbetrieb im obersten Stockwerk. Isabel Pfefferkorn lässt sich darob nicht aus der Ruhe bringen. Es gelingt ihr vielmehr, durch intensive Versenkung ins Programm ihre Zuhörer bedingungslos mitzunehmen auf eine Reise ins Land der „Insomnia“, der Schlaflosigkeit also – diesen Zwischenbereich aus Tag und Traum, Realität und Fantasie, Gedanken von Weltschmerz, Lieben, Hoffen und Bangen, mit denen sie den philosophischen Background ihrer exquisiten Liedauswahl markiert.
Isabel Pfefferkorn ist 28 Jahre alt und bereits mit besten Referenzen u. a. durch Angelika Kirchschlager ausgestattet, hat im Vorjahr ihr Schubertiade-Debüt glänzend bestanden und war zusammen mit der Röthner Pianistin Hanna Bachmann mit Schuberts Liederzyklus „Winterreise“ erfolgreich auf US- und Kanada-Tournee. Solcherart bestärkt, hat sie hier auch die Grenzen eines landläufigen Liederabends gesprengt, in einem schier endlosen stilistischen Bogen vom klassisch-romantischen und spätromantischen Lied bis zum Chanson und zu jazzigen Songs. Das gibt ihr Gelegenheit, ihre unglaubliche Vielseitigkeit mit einer Fülle an stimmlichen und gestalterischen Ausdrucksmöglichkeiten imponierend auszureizen. Sie versenkt sich tief in jede neue Situation, wird eins mit ihren Liedern, die sie so verinnerlicht, wie man das bisher von niemand anderem ihrer jungen Konkurrenz im Land erlebt hat.
Ein Glanzpunkt zum Finale
Am Beginn spielt Pfefferkorn in „Wanderers Nachtlied“ nach Medtner ungeniert ihre dunklen Töne aus, lässt die Stimme in „Morgen“ von Richard Strauss wunderbar verhalten fließen und in vielen Farben spiegeln. Die Sängerin füllt in Brittens expressionistischem „A Charme of Lullabies“ mit ihrem Stimmvolumen kraftvoll den Raum, singt in perfekter Diktion die Lieder in ihrer Originalsprache. Das wirkt besonders reizvoll in einer Gruppe von „Cinco canciones negras“ des Katalanen Xavier Montsalvatge, in denen sie auch ihrem Temperament freien Lauf lässt. Bei zwei Songs von Kurt Weill aus den Zwanzigern wird sie dann sogar zur swingenden Diseuse, der nur noch der letzte Kick an Verruchtheit fehlt. Ihren mitreißenden Glanzpunkt hat sich Pfefferkorn für das Finale aufgehoben, eine schwerelos gehauchte, mit viel Jazzfeeling improvisierte Version des Standards „Over the rainbow“, bei dem die Stimme zum Instrument wird. Spätestens hier ist ihr kongenialer Klavierpartner vor den Vorhang zu bitten, der Schweizer Florian Gabele, der sie am Flügel auf Händen trägt, intensiv konzentrierte fünfviertel Stunden lang. Die Zukunft der Isabel Pfefferkorn hat längst begonnen. Fritz Jurmann
Nächster Auftritt: 24. Mai, Feldkirch, Altes Hallenbad – EARTH mit Susanne Zamora und Celloquartett