Österreichische Kunstszene ist in der Gegenwart angekommen

Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl vertreten das Land im Austria-Pavillon der Biennale.
Wien, Venedig Seit dem vergangenen Frühjahr kennt sie zumindest halb Wien. Ashley Hans Scheirl und Jakob Lena Knebl verhüllten den Wiener Rathausturm mit einem humorvollen Mega-Kunstwerk von über 70 Metern Höhe und 1500 Quadratmetern Fläche. Die ganz in Rot gehaltenen Silhouetten zweier Figuren, von denen eine auf den Schultern der anderen saß, konnten als Selbstporträt mit Augenzwinkern gelesen werden. Vor allem aber symbolisierte das Bild einen spielerischen Umgang mit Uneindeutigkeit: dick oder dünn, männlich oder weiblich, homo oder hetero – alles nicht einmal beim genauen Hinsehen klar erkennbar. Und auch egal. Nicht nur, weil es ein ganz schön großes „Dazwischen“ gibt. Diese Statement, das am Rathaus für eine weltoffene Stadt warb, wird auch die Bespielung des Österreich-Pavillons bei der 59. Kunstbiennale 2021 in Venedig prägen.
Spiel mit Identität
Die erstmalige Ausschreibung gewann mumok-Direktorin Karola Kraus mit dem queeren Duo Scheirl und Knebl. Die beiden arbeiten sowohl als Solo-Künstler wie im Doppel-Pack. Jakob Lena Knebl wurde 1970 in Baden geboren. Sie war zehn Jahre in der Altenpflege tätig, ehe sie an der Akademie der bildenden Künste bei Heimo Zobernig textuelle Bildhauerei und bei Raf Simons an der Modeklasse der Universität für angewandte Kunst Wien studierte. Von einigen Jahren ersetzte sie ihren Taufnamen im Sinne ihres Spiels mit Identität durch die Vornamen ihrer Großeltern und gab sich den Nachnamen Knebl. 2017 wurde sie mit einem Outstanding Artist Award ausgezeichnet und bestritt mit „Oh… Jakob Lena Knebl und die mumok Sammlung“ ihre erste große Museumsschau, mit der sie die Besucher in die bunte Knebl-Welt einlud.
Die Transgender-Künstlerin Ashley Hans Scheirl wurde 1956 in Salzburg geboren und studierte 1975-80 an der Akademie der bildenden Künste Wien. 1980 schloss sie ihr Studium mit dem Diplom in Konservierung und Restaurierung ab und übersiedelte für einige Zeit nach New York. 2003 legte sie ihre Masterprüfung Master of Art studies am Fine Art at Central Saint Martins College of Art and Design in London ab. Nach 16 Jahren in London, wo sie sich in der Szene von queeren und transgender-Künstlerinnen und Künstler bewegte und sich die transgender Identität „Hans“ zulegte, lebt sie seit 2005 in Wien. Scheirl erhielt 2006 das Staatsstipendium für Bildende Kunst und wurde im selben Jahr Professorin für kontextuelle Malerei an der Akademie der bildenden Künste. 2017 war sie an der documenta 14 in Kassel beteiligt.
Stichwort
Biennale Venedig
Die Biennale in Venedig gilt als eine der wichtigsten Kunstausstellungen der Welt. Von Mai bis November wird die Lagunenstadt jeweils zum Zentrum der zeitgenössischen Kunst. Sie wurde Ende des 19. Jahrhunderts gegründet und wird im Jahr 2021 zum 59. Mal ausgetragen. Alternierend findet seit wenigen Jahrzehnten eine Architekturbiennale statt. So auch heuer. Generalkuratorin der nächsten Kunstbiennale ist die Italienerin Cecilia Alemani. Österreich war seit dem Start dabei, hat seit den 1930er-Jahren einen Pavillon. 2019 fand dort mit Arbeiten von Renate Bertlmann die erste Einzelausstellung einer Künstlerin statt.