Mit zartem Strich und großer Kelle

Kultur / 29.06.2020 • 19:30 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Mit zartem Strich und großer Kelle
Die Bregenzerin Sophie Thelen und der Deutsche Christian Macketanz in der Galerie allerArt. A. GRABHER

Sophie Thelen und Christian Macketanz als ungleiches Gespann bei allerArt.

Bludenz Der Kontrast könnte auf den ersten Blick kaum größer sein. Während die eine mit Feder, Pinsel und Stift wie von Elfenhand gezeichnete, zarte, feine Spuren aufs Papier setzt, hinterlässt der andere beim Bearbeiten der dabei auf dem Fußboden liegenden 10-Meter-Leinwandbahn mit großer Geste und Kelle auch schon einmal einen Fußabdruck oder hat sich offensichtlich mit der Hand abgestützt.

Arbeit von Sophie Thelen.
Arbeit von Sophie Thelen.

Sophie Thelen und Christian Macketanz, die in der Galerie allerArt unter dem Titel „autonarrativ“ ihre künstlerische Methode des bildhaften Erzählens demonstrieren, scheinen ein ungleiches Gespann zu sein. Auf den zweiten Blick offenbart sich jedoch eine spannende, beinahe symbiotische Nähe zwischen der Arbeit des 1963 geborenen deutschen Künstlers, der eine Professur an der Hochschule für bildende Künste in Dresden innehat, und den Werken seiner ehemaligen Meisterschülerin Sophie Thelen, Jahrgang 1985, aus Bregenz.

Voll erzählerischer Details

Bei Sophie Thelen bleibt auch im Panorama-Format alles fein gestrichelt, allerfeinst gepinselt, sorgfältig gezeichnet, wenn sie Motiv um Motiv, Figur um Figur, collageartig und intuitiv aneinanderreiht. Auf über zehn Metern Papier gibt sie einen Einblick in eine verwunschene Welt voll erzählerischer Details, voll seltsamer Geschehnisse und sonderbarer Protagonisten. Da trifft man auf Menschen, Tiere und Pflanzen, Archetypen, Urbilder, auf Mythen und Märchen aus der Psychoanalyse von Emma Jung, auf den Tiger als geistiges Schutztier und Wächter aus der Trauma-Therapie, auf Nymphen, einen goldenen Käfig und russische Matrjoschka-Puppen, die die Suche nach dem Innersten versinnbildlichen. Es gibt viel zu entdecken, nur satt schauen kann man sich nicht. Alles scheint offensichtlich, benennbar, und doch sind es feine Fährten, die die Künstlerin auslegt und feinste Fäden, die sie spinnt in ihren Bildern und Geschichten. Figurativ, aber auch ornamental, scheint die Tusche von fast haptischer Qualität. Stark grafisch geprägt strahlt die große Arbeit „Totum per tuum“ die starke Energie, die wieder neu verspürte Freude und aufgestaute Sehnsucht am zeichnerischen Arbeiten nach einer längeren Krankheit aus. Im Gegensatz dazu sind die neueren Arbeiten ungleich malerischer angelegt – ein neuer Blick und eine neugewonnene Freiheit, die ihr Christian Macketanz eröffnet habe, sagt Sophie Thelen. Auch die kleineren Arbeiten, die intuitiv über die ganze Stirnwand bis fast unter die Decke gehängt sind, werden von Menschen, Tieren und Pflanzen, von Themen aus Träumen und realen Ereignissen, bevölkert. Giraffen und Spinnen, die unterschiedliche Welten und Zeiten vernetzt, tauchen als Krafttiere auf, ebenso wie die Hunde und Katzen von Sophie Thelen, die Innigkeit, Schmerz, Leid, aber auch Schutz verkörpern. In diesen sehr persönlichen Werken bringt die Künstlerin bei aller Fragilität ungemeine Stärke und Präsenz zum Ausdruck.

Arbeit von Christian Macketanz
Arbeit von Christian Macketanz

Spontane Leichtigkeit

Für die monumentale, um die Ecke gehängte und erzählte Mischtechnik „Sechs-Fünfundzwanzig“ von Christian Macketanz dienten ebenfalls kleine Tuschearbeiten als Ausgangspunkt. Diese meist im Sommer auf Reisen entstehenden Skizzenblättchen im Format A6, streng nach der Natur gemalt, monochrom in einer Farbe gehalten, veranlassten den Künstler zu der Frage: Lassen sich diese spontane Leichtigkeit und die Ästhetik auch im „großen Leinwandlappen“, wie Macketanz salopp formuliert, der an eine Tapisserie erinnert, halten? Die Antwort ist kurz und bündig: Ja! Die Frage nach dem Erzählerischen, so der Künstler, sei eine permanente, sobald man sich im figurativen Bereich und im extremen Querformat bewege. Über den Inhalt seiner Werke spricht Christian Macketanz nicht so gern. In erdiger, zunehmend intensiver Farbigkeit, in aufgetragenen und wieder abgeschrubbten Schichten treffen Bäume, Menschen und Tiere schemenhaft aufeinander, wie der auf einer Bank schlafende Bub oder der auf einem treppenartigen Podest ins Nichts taumelnde Mann. Als Betrachter steht man davor, staunt und ist mittendrin in der Erzählung. Mehr muss Malerei nicht können. Ariane Grabher

Arbeit von Sophie Thelen.
Arbeit von Sophie Thelen.

Die Ausstellung ist in der Galerie allerArt, Remise Bludenz, Am Raiffeisenplatz 1, Bludenz, bis 8. August geöffnet, Mi bis Sa, So und Feiertag von 15 bis 18 Uhr.

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