Entscheidend für unser Leben

Frauenmuseum widmet sich in einem umfangreichen Ausstellungsprojekt der Geburtskultur.
Hittisau Es ist nicht alles so positiv in Vorarlberg wie es scheint oder gesagt wird. Zu den Schwachstellen gehört auch der Start ins Leben. Bei der Gestaltung der Art der Geburt ihres Kindes haben Eltern nämlich kaum Wahlmöglichkeiten. Die letzten Entbindungsheime wurden – zum Teil gegen das Ergebnis einer Abstimmung – schon vor einigen Jahrzehnten geschlossen, die einzige Hebamme, die die Betreuung von Hausgeburten übernimmt, kann die Nachfrage nicht erfüllen. Was bleibt, sind einige wenige Krankenhäuser. Vorarlberg und das Burgenland sind somit die einzigen Bundesländer in Österreich, in denen keine Geburtshäuser existieren. Ist das bezeichnend? Was man sicher nicht will, sei für die eine oder andere Art der Geburt zu plädieren, sagt die Regisseurin Brigitta Soraperra, die neben Anka Dür auch die IG Geburtskultur vertritt, deren Mitglieder an der Gestaltung des Inhalts dieser Ausstellung intensiv beteiligt waren. „Wir haben grundsätzlich auf einen partizipativen Prozess gesetzt“, erklärt Stefania Pitscheider Soraperra, die Direktorin des Frauenmuseums, im Gespräch mit den VN. Wünsche zum Start des Lebens wurden nicht nur im Vorfeld der Ausstellung erhoben, Besucher können vor Ort ihre Meinung kundtun bzw. hinterlegen. „Geburtskultur“ ist eines der größten und umfangreichsten Projekte, die im einzigen, vor 20 Jahren eröffneten Frauenmuseum Österreichs realisiert wurden. Es ist grundsätzlich zweisprachig gestaltet und wird im Anschluss in weiteren Ländern gezeigt, darunter in Italien.
Ein spezieller Raum
Die Thematik ist komplex, wird aber in einem speziellen architektonischen Projekt anschaulich gebündelt. Ausgehend von einem Plan für ein funktionierendes Geburtshaus, der im Hinblick auf die Bedürfnisse von Gebärenden und Erfahrungen von Hebammen entwickelt wurde, haben Anka Dür, Anna Heringer und Sabrina Summer gemeinsam mit dem Lehmbauer Martin Rauch einen „Raum für Geburt und Sinne“ entwickelt, der vermittelt, was eine Frau, die ein Kind zur Welt bringt, braucht. Eine ruhige Umgebung, die Vertrauen in die eigene Kraft schafft, und Materialien, die entsprechend Positives bewirken. Der Raum, mit Hilfe von zahlreichen Spenden in verkleinerter Form unweit des Frauenmuseums ausgeführt, tut auch als Nachdenkort seine Wirkung.
Geburt und Tod sind wesentliche Themen in der Kunst. Während der Tod nahezu überall präsent ist, wird die Geburt immer noch stärker tabuisiert, freilich auch ideologisiert. Neben historischen Abrissen, etwa Verweisen auf die Geburtspraxis in früheren Jahrhunderten bis herauf zum klinisch-medizinischen Akt, erzählt die Ausstellung vom harten Alltag von Dorfhebammen, von Geburtsritualen in verschiedenen Kulturen bis hin zur Reproduktionsmedizin. In Interviews schildern Mütter und Väter ihre Erlebnisse. Dabei geht es um die Spontangeburt in der Materialseilbahn, um ein Plädoyer für die freie Entscheidung wann und wie sich eine Frau den Kinderwunsch erfüllt oder um erschütternde Berichte von Unterdrückungsmechanismen, denen Frauen ausgesetzt waren oder sind.
Zahlreiche Künstlerinnen haben Schwangerschaft und Geburt thematisiert. Die vertretenen Arbeiten, etwa von Renate Bertlmann, Barbara Anna Husar, Nesa Gschwend, Judith Samen und Birgit Jürgenssen, sind bereichernd.
„Die Ausstellung ist als partizipatives Format mit vielen Vorveranstaltungen entstanden.“



Eröffnung der Ausstellung am 4. Juli, 17 Uhr im Frauenmuseum Hittisau. Geöffnet bis 18. April 2021, Di bis So, 10 bis 17 Uhr: frauenmuseum.at