Martin Gruber: “Es geht nicht um die, die am lautesten schreien”

Für Aktionstheaterleiter Martin Gruber stellt sich für die Politik nun die Mutfrage, denn es geht um Fair pay.
Bregenz, Wien Beim Begriff Bürgerliches Trauerspiel fällt reflexartig der Name Lessing, der nicht nur seine Tragödien wie “Emilia Galotti” damit untertitelte, sondern eine wesentliche Rolle im Zuge des Wandels der Theaterliteratur innehatte. Einer progressiven Bewegung zufolge wurden den Bürgern wahrhaftige Gefühle zugeschrieben, während der Adel und der Klerus in der Kritik standen. Von der Fortschrittlichkeit, die man dem Bürgertum zugestanden hatte, sei im Großen und Ganzen gesehen so gut wie nichts mehr da, bemerkt Martin Gruber, Leiter des Aktionstheaters. Damit umschreibt er auch ein Dilemma engagierter Theaterautoren. Betrachte man das Kleinbürgerliche, dann gehe es ohnehin fast nur um eine Form der Besitzstandswahrung und der Exklusion.
„Dass Kunst und Kultur essenziell sind, muss sich auch in der Finanzpolitik widerspiegeln.“
Martin Gruber, Aktionstheater-Leiter
“Bürgerliches Trauerspiel – Wann beginnt das Leben?” lautet deshalb der Titel seines neuen Stücks, das er gemeinsam mit dem Ensemble entwickelt hat und am 2. September in Bregenz zur Uraufführung bringt. Wie seit einigen Jahren schon sieht die Methode der Texterstellung Umfragen sowie nicht nur die Mitarbeit des Dramaturgen, sondern aller Schauspieler bis hin zu den Musikern vor. “Ich zeige sozusagen die Kinder der Bürgerlichen, die irgendwie merken, dass der Wertekanon, den ohnehin keiner differenziert beschreiben kann, nicht mehr taugt.” Zu bemerken, dass Werte gerne einmal mit Kohle, also Besitz und Geld, gleichgesetzt werden, wäre ein alter Hut, Gruber geht es auch um die Kommunikation an sich. Wer in der Lage ist, sich in einer elaborierten Sprache zu vermitteln, neige auch zur Lüge, die sich nicht so rasch entlarvt. Damit treibt das Gespräch mit den VN auf den Kern eines Problemfelds zu, das ihn antreibt: “Es geht mir um ein grundsätzliches Bekenntnis zur Kultur. Es stellt sich nun die Mutfrage”, sagt er. Dass Kunst und Kultur essenziell sind, müsse sich auch in der Finanzpolitik widerspiegeln.
Bekenntnis zu Kunst und Kultur
Obwohl man die Einnahmenverluste durch die Pandemie-Präventionsauflagen irgendwie kompensieren müsse, sei der Fortbestand des Theaters gewährleistet. Wenn er jedoch die Kulturszene betrachte, dann stelle sich heraus, dass die Arbeitssituation vieler Kulturschaffender schon lange prekär ist, die Auftrittsverbote hätten deren Lage verschärft bzw. stärker sichtbar gemacht. Hier habe die Politik anzusetzen. Es bestehe die Gefahr, dass die Unterstützungen durch die öffentliche Hand eben dort greifen, wo am lautesten geschrien wird. “Ich denke aber an Fair pay oder beispielsweise an die Absicherung der Künstler durch funktionierende Sozialversicherungen.” Das grundsätzliche Bekenntnis zu Kunst und Kultur habe sich jetzt an den Maßnahmen abzubilden.
Er selbst sieht sich nicht in der Jammerrolle. Die Krise habe auch das Aktionstheater hart getroffen. Es wurden etwa geplante Auftritte in Israel abgesagt. Dem Internet steht er kritisch gegenüber, dennoch war es eine bewusste Entscheidung, Produktionen ins Netz zu stellen. Über 60.000 Zugriffe hat man gezählt. Viele User haben sich gemeldet, die nun die Aufführungen live sehen wollen.
Die Uraufführung findet am 2. September, 20 Uhr, im Theater Kosmos in Bregenz statt: Weitere Aufführungen: 3. September (20 Uhr), 4. und 5. September (18 und 21 Uhr). Ende September beginnt die Aufführungssereie im Werk X in Wien.
