Skulpturen mit Gefahrenpotenzial in der Galerie allerArt

Kultur / 18.09.2020 • 12:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Skulpturen mit Gefahrenpotenzial in der Galerie allerArt
Willi Kopf zeigt neueste Artefakte und Arrangements unter dem Titel „Die Welt der Dinge“. AG

Zur Sicherheit stehen Willi Kopfs Skulpturen unter gläserner Quarantäne.

Bludenz Er hat seine guten Gründe, weshalb er seine Skulpturen unter einem Glassturz verwahrt und unter Quarantäne stellt. Das schützende Behältnis dient nicht etwa vorrangig dazu, die Werke vor unerwünschtem Zugriff zu bewahren, sondern vor allem der Sicherheit des Betrachters, so der Bildhauer Willi Kopf. Neueste Artefakte und Arrangements des in Wien lebenden Vorarlberger Künstlers sind derzeit unter dem Titel „Die Welt der Dinge“ in der Galerie allerArt zu sehen.
Zu Akademiezeiten war Willi Kopf einer der letzten Schüler der Bildhauer-Legende Fritz Wotruba. Das Terrain der klassischen Bildhauerei, das von Wotruba geprägte Menschenbild und die Idee vom Torso hat Kopf jedoch bald hinter sich gelassen, um seit den 1970ern in der Auseinandersetzung mit der Minimal Art seine charakteristische Formensprache zu entwickeln.

Massenware aus dem Baumarkt

Von Beginn an sind es industriell gefertigte Materialien, an denen sich der Künstler abarbeitet. Dem Frühwerk mit präzisen, konstruktiven Setzungen aus Pressspanplatten folgen seit den 1990ern Skulpturen aus Massenware, aus Metallteilen, von der Schraube über Werkzeuge bis zum Gartengerät. Diese „Welt der Dinge“ findet Willi Kopf im gut sortierten Baumarkt seines Nicht-Vertrauens, wo er zwar zwischen den 80.000 bis 100.000 Produkten im Sortiment regelmäßig anzutreffen ist, die Produktpalette, die uns als totale Vereinnahmung dort aufgezwungen wird, jedoch kritisch beobachtet. Nicht als Heimwerker, der ein Scharnier fürs Gartentor braucht, sondern als Bildhauer auf Material-Pirsch, der den Dingen in ihrer Oberfläche, Form und Materialität nachspürt. Willi Kopfs Frage an die Dinge lautet: Was kann dieses Teil über seine eigentliche Funktion hinaus noch? Welchen Spielraum gibt mir das und wie kann ich bildhauerisch darauf reagieren? Im Vorhinein nicht wissend, wo die Reise hingeht, ist es ein schrittweises Ertasten und Erfühlen, losgelöst von Bauplan oder Konstruktionsskizze, bei dem ein Teil das nächste vorgibt.

Es gebe so etwas wie einen Magnetismus in den Dingen, wenn jedes Teil sein Gegenstück sucht, sagt Willi Kopf: „Es ist ein Experimentieren außerhalb der bekannten Größen und des vertrauten Umgangs.“ Der Künstler verweigert sich den Vorgaben des Marktes und der Industrie und stellt die Eigenschaften, die in den Dingen lauern, in einen neuen Zusammenhang. Das sei etwa so, wie wenn man einen SUV aufs Dach stellt und den Hügel hinunterrutschen lässt, so Kopf, der sich auch gerne von Science-Fiction-Filmen und -Literatur inspirieren lässt. Zunächst seien seine kleinen Maschinen und Apparate, wie die Objekte aus der seit 1994 entstehenden Werkserie „Laboratory Works“, als Multifunktionswerkzeuge zwar ohne Funktion. Aber sie bergen durchaus Gefahrenpotential, denn wer weiß, welches Eigenleben die Dinge führen, wie sich die Energie der Einzelteile im Verbund sammelt und was am Abend, wenn das Licht längst ausgegangen ist, im Galerieraum abgeht…

Auf 200 Quadratmetern Atelier und Lager in Wien hat sich der Bildhauer mittlerweile seinen eigenen kleinen Baumarkt geschaffen, wo auf Regalen und Stellagen, in Kisten und Verschlägen die einzelnen Elemente auf ihre Verwendung warten. Zu Skulpturen arrangiert, wie zum großen Ensemble „System Impact“ in Bludenz, wird das Ganze im Anschluss an die Ausstellung wieder aufgelöst, aufbewahrt und dann wieder zu etwas Neuem zusammengebaut. Kopfs kühle Materialästhetik hat immer wieder etwas für sich und was scheinbar nicht zusammengehört, regt unsere Fantasie an, wozu dieses oder jenes wohl nützlich und in der Lage wäre, wenn… Ariane Grabher

Die Ausstellung ist in der Galerie allerArt, Remise Bludenz, Am Raiffeisenplatz, Bludenz, bis 28. Oktober geöffnet, Mi bis So sowie Feiertag von 15 bis 18 Uhr.

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