Gerald Matt

Kommentar

Gerald Matt

Wiens Kunstszene zeigt trotz Corona Flagge

Kultur / 01.10.2020 • 15:30 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Die wichtigste und berühmteste Kunstmesse der Welt, die Messe Basel mit ihren Satelliten in Miami und Hongkong, machte heuer coronabedingt Pause. Viele andere Messen wie die Frieze London folgten diesem Beispiel. Es mag nun mutig anmuten, zu Coronazeiten eine internationale Kunstmesse in Wien abhalten zu wollen, ob es klug und erfolgreich ist, muss bezweifelt werden. Dies bewies leider die Vienna Contemporary. Die Nachfrage internationaler Sammler hielt sich in Grenzen. Ebenso wenig hilfreich waren vorangegangene Zwistigkeiten zwischen der Messe und einem Teil der Wiener Galerienszene. Dabei ging es nicht nur um Preise für Kojen, sondern auch um grundsätzliche Fragen der Ausrichtung. Kein Wunder, dass sich auch wichtige österreichische Galerien von Lair über Zeller von Almsick bis Janda von der Messe fernhielten.

„Erfreulich lebendig und quirlig hingegen präsentierte sich die nomadische Alternativmesse Parallel.“


Was als coronabedingte Krise daherkommt, erweist sich bei näherer Analyse als tiefergehendes und seit geraumer Zeit latentes Problem. So architektonisch beeindruckend die Marxhalle ist, so nahmen heuer nur knapp mehr als die Hälfte der Galerien des Vorjahres teil. So sehr sich die neue Leitung auch bemüht, die Messe kämpft nach wie vor um die für Reputation und Standing existentielle Nachfrage international relevanter Galerien und Kunsthändler. Die Strategie, eine Brücke nach Osteuropa zu bilden, ist nach wie vor richtig und gibt der Messe ihre einzigartige Positionierung. Umso schmerzhafter ist der stetige Verlust erfolgreicher Galerien aus dem Osten, der auch durch junge finanzschwächere Galerien kaum kompensiert werden kann. Ebenso auffällig ist das Ausbleiben und Desinteresse relevanter Galerien aus Westeuropa und den USA. Dennoch halten wichtige Galerien wie Krinzinger und Hilger der Messe nach wie vor die Treue. Sie wissen um die enorme Bedeutung einer internationalen Messe für die Wiener Kunstszene. Auch wenn es vielfältige öffentliche Unterstützungen für die Messe gibt, steht die bisherige Eigentümerstruktur, die Messe befindet sich allein in der Hand eines russischen Investors, einem stärkeren Engagement der Stadt Wien im Wege. Hier gilt es über nachhaltige Lösungen im Sinne des Kunststandortes Wien nachzudenken. Das Potenzial einer Wiener Kunstmesse ist noch lange nicht ausgeschöpft.

Erfreulich lebendig und quirlig hingegen präsentierte sich die nomadische Alternativmesse Parallel, die im Gewerbehaus, einem herrlichen, am Stadtpark gelegenen Bau, stattfand. Vor jungem, maskengeschütztem Publikum präsentierte sich ein buntes Sammelsurium aus Künstlern, Off-Spaces und österreichischen, auch etablierten Galerien, die die Parallel der Contemporary vorzogen. Zu zumeist günstigen Preisen konnte man mit junger Kunst ins Sammeln einsteigen. Zudem stellte mit „curated by“, dem internationalen Kuratorenprogramm der Wiener Galerien, die Wiener Kunstszene Ihre Vitalität trotz Corona unter Beweis.

Dr. Gerald Matt ist Kulturmanager und unterrichtet an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.

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