Wo es etwas für Bilder- und Bildungshungrige gibt

Hilti Art Foundation betreibt mit „Hauptsache Malerei“ Kunstvermittlung mit sehr gutem Gespür.
Vaduz Zu den Großausstellungen, die den Besuchern grundlegendes Wissen zur Kunst des 20. Jahrhunderts bzw. zur Klassischen Moderne in Hülle und Fülle, zugleich aber auch ein Erlebnis vermittelte, zählte unbedingt die Schau „Die Anfänge des Kubismus“ vor zwei Jahren im Pariser Centre Pompidou. Sie wurde später adaptiert ins Kunstmuseum Basel übernommen und rückte somit näher an einen Ort, der sich zunehmend als regionale Anlaufstätte für nachwirkende Begegnungen erweist. Die Werke, die man Kunstvermittlern wie Erfahrungssuchenden zur eingehenden Betrachtung empfehlen möchte, gehören interessanterweise zu einer privaten Sammlung, die vor rund fünf Jahren im eigens errichteten Erweiterungsgebäude des Kunstmuseums Liechtenstein in Vaduz zugänglich gemacht wurden.
Corinth, Kirchner, Knoebel etc.
Nach der Herausgabe von zwei Bänden zur Sammlung der Hilti Art Foundation und der aktuell eröffneten, nahezu ein Jahr lang zu sehenden Ausstellung „Hauptsache Malerei“ steht nicht nur fest, dass die über 250 Kunstwerke diverse Möglichkeiten bieten, einen Teil daraus in spannenden Dialogen zueinander zu präsentieren, die Sammlung wird offensichtlich auch erweitert. Dass das vor etwa vier Jahren entstandene Werk „Augusta“ des Franzosen Bertrand Lavier quasi den Abschluss des von Chefkurator Uwe Wieczorek gestalteten Rundgangs bildet, überrascht nicht. Die Malerei auf Acrylglas bringt nicht nur das titelgebende Thema auf den Punkt. Bei der Beschäftigung mit den banalen Entstehungsaspekten von Malerei, dass also an einem Bindemittel haftende Farbpigmente auf verschiedene Trägermaterialen aufgetragen werden, sind auch der das Werk umgebende Raum und der Betrachter zumindest diffus wahrnehmbar. Eine Aufforderung zur eingehenden Betrachtung und Reflexion, die in dieser Ausstellung zum Ergebnis führt, dass die Zusammenstellung von Arbeiten der Klassischen Moderne mit dem deutschen Impressionismus und dem Expressionismus eines Lovis Corinth oder Ernst Ludwig Kirchner mit namhaften Vertretern der Abstraktion wie Friedrich Vordemberge-Gildewart, mit Kubisten, Konstruktivisten und Konkreten bis herauf in die Gegenwart ein unerschöpfliches Thema ist. Voraussetzung dafür ist der Umfang der Sammlung, die, wie der Unternehmer Michael Hilti bei der Erstpräsentation anführte, entstand, weil man das erwarb, was gefiel. Ein extrem gutes Gespür muss da wohl den Gang zu Auktionen oder Kunstmessen begleitet haben.
Schön nacherzählt
Über Geometrie als Grundlagen der Bildgestaltung lässt sich trefflich diskutieren bei der Auseinandersetzung mit den Arbeiten der Schweizer Verena Loewensberg und Gottfried Honegger, von dem etwa im öffentlichen Raum in Hohenems eine Skulptur zu sehen ist, oder bei der Begegnung mit der Minimal Art des Deutschen Imi Knoebel, dessen OEuvre in der Hilti Art Foundation auffallend gut vertreten ist. Auch mit den Arbeiten von Fritz Glarner wird man nicht alleingelassen. Die Anknüpfung des Vertreters der Abstraktion an Piet Mondrian wird mit einem Werk des Niederländers schön nacherzählt.

Apropos Klassiker: Die Sonderstellung von Lovis Corinth zwischen Impressionismus und Expressionismus wird mit einem Frauenporträt aus dem Jahr 1904 und einem Blumenstrauß von 1920 augenscheinlich, Renoirs „Nini Lopez“ von 1876 scheint hier fast aus der Zeit gefallen zu sein. Bei Kirchners Stillleben von 1912 geht es wieder los und bei Picassos Stillleben mit einer Kaffeekanne aus dem Jahr 1947 ist man mitten auf dem Weg zur Abstraktion, der auch an Juan Gris vorbeiführt, womit man beim eingangs erwähnten Kubismus wäre. Vor dem Eindruck eines Rückblicks bewahrt übrigens auch der junge Österreicher Hanns Kunitzberger, der seine Malerei mit Schicht für Schicht aufgetragener Farbe auch vor den Augen jener nahezu schweben lässt, die mit absoluter Bodenhaftung durchs Leben gehen.


Geöffnet im Kunstmuseum Liechtenstein in Vaduz bis Oktober 2021, www.kunstmuseum.li