Die weibliche Seite Gottes im Männermuseum

Das Kunstwerk „Grüss Göttin“ von Ursula Beiler löst weiterhin Reaktionen aus.
Innsbruck, Hohenems Ein Schild, das polarisiert, steht nun am Bergisel. Alles begann 2008, als sich Ursula Beiler auf die Ausschreibung „Kunst im öffentlichen Raum Tirol“ bewarb und diese für sich entscheiden konnte. Im August 2009 war es soweit, an der Autobahn bei Kufstein und damit am Eingangstor Tirols, wurde ein Schild mit dem Schriftzug „Grüss Göttin“ aufgestellt. Es folgten heftige Diskussionen und Kritik. Die Autobahnpolizei hatte viel zu tun, um das Werk instandzuhalten. Unbekannte besprühten und veränderten die Tafel mehr als 60 Mal. Einige Zeit später wurde die erste Kopie der Tafel vor dem Jüdischen Museum in Hohenems aufgestellt, wo sie auf viel Aufmerksamkeit stieß und auf eine inhaltlich-historisch differenzierte Ausstellung verwies.

Seit 2019 steht der pink-weiße Schriftzug inmitten des Kreisverkehrs Innsbruck-Mitte, welcher sich nur wenige Meter vom Tivoli-Stadion entfernt befindet. Trotz Plexiglasschutz kam es zu unzähligen Veränderungen. Aus „Grüss Göttin“ entstand etwa „Küss Göttin“, andere versuchten das Werk zu demolieren. „Der Diskurs bleibt interessant und nimmt Bezug auf das aktuelle Tagesgeschehen. Als die Coronasperrstunde um 22 Uhr verkündet wurde, reagierten Unbekannte damit, dass sie dies auf der Tafel im Kreisverkehr sichtbar machten. Trotz der Veränderungen scheint der Schriftzug durch“, erklärt Ursula Beiler.
Gesellschaftliche Strukturen
Auf dem Dach des Tirol Panoramas am Bergisel steht nun die neue Edition der „Grüss Göttin“. Die umrahmten Buchstaben auf schwarzen Untergrund führen auch dort zu regen Diskussionen. Der Künstlerin ist es ein Anliegen, zu verdeutlichen, wie die Sprache unsere Sichtweise auf die Welt verändert und auch gesellschaftliche Strukturen widerspiegelt. Ihr geht es darum, den Betrachter mit der Frage zu konfrontierten, warum nicht auch eine Göttin die Menschen grüßen soll. Sie löst damit Debatten um Gottesbilder, Traditionen und Geschlechterfragen aus. Im Zuge der künstlerischen Intervention werden auch Kritik, Leserbriefe und Rückmeldungen zugänglich gemacht, die sie seit 2009 gesammelt hat. „Die großflächige Collage hat den Vorteil, dass sie von mir weiterentwickelt werden kann. Es werden unter anderem die Veränderungen des Schildes am Kreisverkehr, Leserbriefe und Zeitungsausschnitte aufgegriffen. Die langjährige Diskussion wird aufgearbeitet und auf den Punkt gebracht.“
Feministische Geschichtsforschung
Im Inneren des Panorama-Museums werden Aura-Bilder gezeigt. Neben den männlichen Helden der Tiroler Freiheitskämpfe brachte die Künstlerin eine Porträt-Serie, bestehend aus Tiroler Frauen und Mädchen, an. Im Mittelpunkt stehen dabei die feministische Geschichtsforschung und der Wunsch, auf die vergessenen Frauen aufmerksam zu machen. Daneben läuft auf einem Monitor ein sechsminütiger Film zum Thema „Aura“. Seit einem Jahrzehnt fotografiert die Tirolerin Personen vor LED-Lichtern. „Die Bilder werden eng aneinandergereiht und sollen das Göttliche in jedem Menschen zum Ausdruck bringen. Jeder Mensch hat eine Aura.“ Mit ihrer Lichtinstallation bespielte sie schon zahlreiche Kirchen, Burgen und Fassaden. 2015 erstrahlten die Aura-Porträts im Rahmen der langen Nacht der Kirchen im Dom in Innsbruck.
Veränderungen vorantreiben
Zur Intervention ist bereits eine Zeitschrift erschienen, die den Lesern die Rezeptionsgeschichte näherbringt. Eine zweite Ausgabe zum Thema Auswirkungen der Intervention am Bergisel wird im März 2021 veröffentlicht. „Frauen gehören in alle Positionen, wie zum Beispiel in Jurys und auch in die Politik. Veränderungen sollen weiterhin vorangetrieben werden. Der gesellschaftspolitische und frauenpolitische Diskurs soll weitergehen,“ sagt Beiler und fügt hinzu: „Auch in Bezug auf das Ökologiethema. Die Dinge sollten ganzheitlich betrachtet werden.“ Online wird nun die Möglichkeit geboten, Meinungen kundzutun und neuere Entwicklungen aufzuzeigen. So entfachten Userinnen eine spannende Diskussion über eine unbekannte Person, die im öffentlichen Raum ein Graffiti anbrachte. Dabei wurde unter anderem an der Innpromenade und an den Karwendelbögen der pinke Göttin-Schriftzug aufgesprüht.

Ob im Kreisverkehr, auf einem Museumsdach oder in Form von Streetart, die Arbeiten von Ursula Beiler lösen Diskussionen aus. Die künstlerische Intervention, die vom Tirol Panorama mit dem Kaiserjägermuseum präsentiert wird, kann bis 28. März 2021 besichtigt werden. Betrachterinnen und Betrachter sind eingeladen, Kommentare abzugeben. mir