Wolfgang Bilgeri: „Die Posaune ist der Farbmischer“

Wolfgang Bilgeri hat mit Kirill Petrenko studiert und wartet auf die Möglichkeit, mit ihm Mahler aufzuführen.
Hittisau Momentan ist das Symphonieorchester Vorarlberg leider stummgeschaltet. Ein Grund mehr, die Musiker zu Wort kommen zu lassen, auf deren Agieren das Publikum mit Sehnsucht wartet.
Wie sind Sie zur Posaune gekommen?
Mein Wunsch war es, Trompete zu lernen. Zwei meiner Freunde wurde die Trompete zugesprochen und somit hieß es, dass es keine weiteren Trompeten mehr gäbe. Zur Auswahl standen noch ein Waldhorn oder das Tenorhorn. Ich probierte beide Instrumente aus und entschied mich für das Tenorhorn. Nach zwei Jahren stieg mein Freund, der nicht viel älter war als ich, auf die Posaune um. Natürlich wollte ich dann auch Posaune lernen, dies wurde mir aber zuerst nicht erlaubt, da ich zu klein sei. Mein Vater, der mich von Anfang an unterstützte, stellte ein Ultimatum: „Entweder darf der Bub Posaune lernen oder er hört auf zu musizieren.“ Für mich war nun alles wunderbar, ich konnte weiter Musik machen, und mein Wunsch wurde erfüllt.
Wie viele unterschiedliche Posaunen muss man als Posaunist beherrschen?
Wenn wir umgangssprachlich von einer Posaune sprechen, dann ist die Tenorposaune gemeint, welche auch von den meisten gespielt wird. Ich habe mich für das Studium mit der Tenorposaune entschieden und mich dadurch auch mit der Altposaune beschäftigt. Studiert man Bassposaune, dann tritt man ab und zu auch mit der Kontrabassposaune in Kontakt.
Welche Rolle spielen die Posaunen im Orchester?
Je nach Stilepoche unterscheidet sich der Einsatzbereich der Posaune im Orchester. Bei Messen, beispielsweise von Schubert, sind die Posaunen besonders wichtig, da sie die Singstimmen Tenor, Alt und Bass klanglich unterstützen. Ab der Romantik werden die Posaunen im Orchester mit drei Stimmen besetzt und sind besonders bei den Tutti-Stellen immer dabei. Sie sind sehr wichtig für den kräftigen, lauten und vollen Klang.
Wie kommen Sie mit der Lautstärke Ihres Instrumentes zurecht?
Probleme bereitet die Lautstärke eher den Musikerinnen und Musikern, die vor uns sitzen. Da die Posaune der menschlichen Stimmlage sehr ähnelt, ist der Klang, trotz der Lautstärke, nicht so grell wie z. B. ein Ton der Trompete in derselben Lautstärke.
Posaunen klingen immer etwas nach Jüngstem Gericht. Fühlt man sich als Posaunist für die letzten Dinge zuständig?
Ja, könnte man fast so sagen. Wir Posaunisten sind oft für die letzten, wehmütigen Dinge zuständig. Die Posaune ist vor allem der Farbmischer für Schmerz, aber auch für Glanz, z. B. an Weihnachten. Ohne Posaunen geht es eigentlich gar nicht.
In Mahlers Symphonien gibt es geradezu betörende Posaunenstimmen. Was erwartet das Publikum bei der Neunten Symphonie von Mahler?
Für mich war Gustav Mahler ein Grenzgänger. Im Klang, in den Längen und in den dynamischen Amplituden. Faszinierend sind auch die Übergänge zwischen den Instrumentengruppen und diese unterschiedlichen schrillen und klirrenden Farbklänge, die durch Dämpfer erzeugt werden. Vor der Neunten hat Mahler sich selbst gefürchtet, weil Beethoven und auch Schubert nach ihren neunten Symphonien gestorben sind. Die Dauer von eineinhalb Stunden und die Konzentration sind herausfordernd. Wunderbar ist der ländliche zweite Satz. Es ist eine Ehre und auch großes Glück, diese Symphonie mit Kirill Petrenko aufzuführen. Ich habe gemeinsam mit ihm am Landeskonservatorium studiert. Bei jeder Produktion mit Kirill wird einem auch bewusst, wie viele Künstlerinnen und Künstler, die aus dem Ländle kommen und hier studiert haben, nun in der großen internationalen Musikwelt tätig sind.
Sie haben im Sommer mit dem Posaunenquartett Tetrapol in Hohenems, Mäder und Hittisau Freiluftkonzerte mit Musik von Praetorius bis Freddy Mercury gespielt. Was sind Ihre nächsten Auftritte?
Es war ein sehr interessantes Zusammentreffen mit drei Posaunisten der jüngeren Generation. Die Besetzung Posaunenquartett ist die Herausforderung schlechthin. Der Titel des Konzertes war: 60 Minuten – 4 Getränke. Zum Aperitif gab es Musik aus der Renaissance, anschließend folgten ein Gemischter Satz umrahmt mit Wiener Musik und Rotwein, der mit Opernklängen untermalt wurde. Zum Abschluss wurde ein Martini ausgeschenkt und Musik von Freddy Mercury präsentiert. Wir haben schon ein neues Projekt in Aussicht.
Sie arbeiten auch mit Kindern und Jugendlichen oder haben als Bezirkskapellmeister des Bre
genzerwaldes mit dem Projekt „Urig, Uhrig“ innovative Wege beschritten. Warum ist Ihnen das wichtig?
Für mich ist es sehr wichtig, dass man als Musiker die Möglichkeit bekommt, bei einer Uraufführung mitwirken zu können, Komponistinnen und Komponisten kennenzulernen und neue, vielleicht noch nie dagewesene Musik, spielen zu dürfen. Zudem finde ich es sehr spannend, neue Klangfarben und auch Spieltechniken auszuprobieren.
Warum haben Sie das Ensemble Sonus Brass, dessen Gründungsmitglied Sie waren, nach 25 Jahren verlassen?
Es waren 25 geniale Jahre mit Konzertreisen in die verschiedensten Länder der Welt. Angefangen von Istanbul über Skandinavien bis nach Amerika, mit Auftritten in der Elbphilharmonie, im Musikverein in Wien oder im Konzerthaus in Berlin. Als Andreas Schuchter, unser Hornist, uns mitgeteilt hat, dass er aufhört, war das für mich ein entscheidender Knackpunkt, und ich stellte mir die Frage, ob man immer alles ein Leben lang machen muss.
Welches war für Sie das aufregendste Konzert mit dem SOV?
Die Dritte Mahler mit Christoph Eberle, und nun schließt sich der Kreis mit der Neunten Mahler und Kirill Petrenko.
Was ist für Sie das Besondere am SOV?
Die persönlichen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen den Musikerinnen und Musikern und vor allem der Zusammenhalt untereinander, trotz der niedrigen Gagen. In der momentanen Situation möchte ich auch dem Büro des SOV meine Hochachtung aussprechen, dass sie in diesen schwierigen Zeiten Konzepte ausgearbeitet haben, um Konzerte durchführen zu können und somit Vorarlbergs Bevölkerung die Möglichkeit bieten, Kulturveranstaltungen weiterhin besuchen zu können. Ulrike Längle
Zur Person
Wolfgang Bilgeri
Geboren 1973 in Hittisau
Ausbildung Landeskonservatorium für Vorarlberg, Abschluss mit Auszeichnung
Laufbahn Mitglied beim Sonus Brass-Ensemble, beim Posaunenquartett Tetrapol, Soloposaunist beim Symphonieorchester Vorarlberg und im Sinfonieorchester Liechtenstein. Jurytätigkeit bei Jugend musiziert/Deutschland und Prima la musica/Österreich, Lehrer an der Musikschule Bregenzerwald, Bezirkskapellmeister im Bregenzerwald, Initiator innovativer Projekte mit neuer Musik für Kinder und mit interkulturellem Ansatz
Wohnort lebt mit seiner Familie in Hittisau