Jeder strickt an seinem Lebenspullover

Die Natur der Dinge
Georg Thiel,
Braumüller,
216 Seiten
Ein gnadenlos lustiges, sehr menschliches Buch.
Roman In „Die Natur der Dinge“ nimmt sich der 1971 geborene Wiener Autor und Kurator Georg Thiel der Lebensgeschichte eines Kriegskinds an. Heinrich tritt früh in eine Firma ein, steigt auf und bleibt dieser bis zur Frühpension treu. Nach außen ein gelungenes Leben – nach innen weniger, wie Heinrich in einem humorvoll geschilderten, autobiografischen Schreibkurs bewusst wird. Ein gnadenlos lustiges, sehr menschliches Buch.
Der kürzlich frühpensionierte Spätfünfziger Heinrich wird von seiner Familie in einen Schreibkurs geschickt, damit er zu Hause während eines Umbaus nicht im Weg ist. Er trifft dort auf einen demotivierten Kursleiter, der auf den großen Durchbruch als Autor wartet, eine bissige und besserwisserische Oberstudienrätin, die eigentlich ein Kinderbuch über eine missverstandene Ratte schreiben möchte, und die 80-jährige Herma, die sich aus einem freudlosen Leben als Bäuerin befreite. Widerwillig lässt sich Heinrich aufs Schreiben ein. Dass ihn der strenge Vater wegen schlechter Noten aus der Schule nahm und ihm eine Stelle bei einem Waffenhersteller verschaffte, beschreibt er als „Tiefpunkt seines Lebens“. Heinrich findet als braver Untergebener bald Eingang in die männerbündlerische Gemeinschaft der Firma, die mit harter Hand vom allmächtigen Generaldirektor regiert wird. Nach einer grausam anmutenden Initiation wird Heinrich sein Günstling und Sekretär. Er heiratet in eine alte Familie ein, die ihm ihr „gewesenes Großbürgertum“ verschweigt und ihn nach Strich und Faden ausnützt. „Alle haben sie triumphiert. Alle. Nur er nicht“, muss er schreibend erkennen und schickt sich an, doch noch Hauptfigur seines Lebens zu werden.
Böser Witz
Im dem Buch vorangestellten Thomas Bernhard-Zitat heißt es: „Und so strickt jeder an seinem Lebenspullover, der eine macht mehr Herzerln hinein und der andere weniger, mit mehr Luftmaschen oder weniger, und am Ende ist das alles filzig und zu eng und hat Löcher, (…), und der Herrgott sagt dann ‚passt!'“ Das mit viel bösem Witz arbeitende Buch schaltet zwischen der Lebensgeschichte Heinrichs und den Ereignissen im köstlich komisch geschilderten Schreibkurs hin und her. Thiel, der selbst solche Schreibkurse gibt, nimmt sowohl den Dozenten als auch die skurrilen Teilnehmer, die eher eine Therapie bräuchten, aufs Korn. Es gibt, so viel sei verraten, sogar handgreifliche „künstlerische Differenzen“, die mit einem furiosen Rauswurf enden.