Malerische und skulpturale Schwergewichte im Montafon

Doris Piwonka und Toni Schmale im Kunstforum: Atmosphärisches trifft auf Stahl.
SCHRUNS Dass Roland Haas ein feines kuratorisches Händchen und Näschen besitzt, hat er bei Themen- und Dialogausstellungen im Kunstforum Montafon schon des Öfteren bewiesen. Auch die Paarung der aktuellen Winterausstellung fügt sich nahtlos in diese Reihe. In einer reduzierten, aber inhaltsschweren Schau treffen in der alten Lodenfabrik ob der Litz die Malerin Doris Piwonka und die Bildhauerin Toni Schmale, beide in der Wiener Szene beheimatet, aufeinander.
Bild-Form-Fundus
„Was ich habe, sind meine Bilder“, sagt Doris Piwonka (geboren 1968 in Judenburg). Diese schlichte Aussage bezieht sich auf die Herkunft der „Motive“ und ihren Bildfundus, aus dem die Künstlerin fortwährend schöpft. Ihre abstrakten Gemälde, die malereiimmanente Fragestellungen verhandeln, basieren auf nonlinearen Untersuchungen zu Form und Farbe, Grund und Motiv und erweisen sich an der Oberfläche aus Streifen und Strichen geometrisch strukturiert, oder aber sie erzeugen einen atmosphärisch-diffusen Eindruck. Stets sind es aber mehrere Schichten, teilweise auch mehrere Bilder übereinander, und immer arbeitet die Malerin an mehreren Werken nebeneinander. Übermalen, das „Abwaschen“ von Farbe mit einem terpentingetränkten Tuch, das Schlieren hinterlässt und gleichzeitig die Streifen eines ersten Bildes freilegt – die Bilder von Doris Piwonka haben zwischen erschaffenden und zerstörenden Kräften, zwischen Leichtigkeit und Schwere viele Leben. Zu den real auftauchenden Utensilien, wie den Klebebändern, die sie zum Abkleben in den Bildern benutzt, pflegt die Künstlerin ein komplexes Verhältnis. Nach Gebrauch von der Leinwand abgezogen, wird nicht nur das Tape in anderen Arbeiten wiederverwendet oder formuliert Papierarbeiten, wie sie derzeit auch in der Dornbirner Galerie c.art zu sehen sind. Das Klebeband wird „nachgemalt“ und simuliert ein Klebeband. In Schruns zeigt Piwonka gerade einmal vier Arbeiten, zwei kleine, ein mittleres und ein großes Format, das stehend gemalt, gerade noch zu bewältigen ist. Dieses Wenig und die solitären Setzungen sind bewusst: „Meine Bilder brauchen Platz, ihr Rahmen ist die Wand.“
Kraftakt
Leere, oder vielmehr Leerstellen in Form von abwesenden oder nur partiell vorhandenen Körpern, kennzeichnen auch die Skulpturen von Toni Schmale (geboren 1980 in Hamburg). Unter Einwirkung enormer Kräfte und Hitze verarbeitet die seit 2009 in Wien lebende Bildhauerin, die nach einer ersten Karriere als Fußballerin im Leistungssport zur Kunst gekommen ist und 2017 mit dem Otto-Mauer-Preis ausgezeichnet wurde, industrielle Materialien wie Stahl und Beton. Zwischen Alltagsgegenstand, dysfunktionalem Gerät, Möbel und Architektur angesiedelt, handelt es sich, so Toni Schmale, um „Maschinen, die Begehren in sich tragen“. Ihrer Offensichtlichkeit zum Trotz sind die Werke zutiefst hintergründig angelegt, sie hinterfragen soziale Machtverhältnisse, Identitätszuschreibungen und lösen stereotype Geschlechterrollen auf. Provokant, radikal, unerschrocken und teilweise sexuell konnotiert sind die Titel von Arbeiten wie „Kontaktgrill“. Vergleichsweise harmlos, aber symbolkräftig mit Bedeutungen spielend dagegen die 3er-Reihe „Im Eimer“ in Schruns: Auf den in Beton abgegossenen Fäusten der Künstlerin stehen drei Mülltonnen. Auch die jüngste Arbeit, „Gedinge“, weist performativen Charakter auf, ruft irgendwie zur Benutzung auf, ohne jedoch ein konkretes Angebot zu machen. Ariane Grabher
Die Ausstellung im Kunstforum Montafon, Kronengasse 6, Schruns, ist von Di bis Do, 16 bis 18 Uhr geöffnet. Geplant bis 7. Februar 2021. Änderung wegen des Lockdowns: kfm.at