„Die Liebe ist entwertet worden“

Reinhold Bilgeri singt im neuen Buch ein Hohelied der Liebe und kritisiert die Politik scharf.
Lochau Als genauer Beobachter, der in Gesprächen deutlich zum Ausdruck bringt, dass ihm der spürbare „Hang zum Autokratischen“ in der österreichischen Politik ein Grauen ist, wird Reinhold Bilgeri in letzter Zeit mehr mit Politik in Verbindung gebracht als mit der Literatur. Dass sein neuer Roman „Die Liebe im leisen Land“ nicht zufällig rund um den 20. Jänner, den Tag der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Joe Biden, in den Handel kommt, berechtigt dazu, den Vorarlberger Musiker, Filmemacher und Schriftsteller unter jene zu reihen, die mit großer Sorge auf die Vorgänge in den USA blicken.
„Die stehen am Rand eines Bürgerkriegs“, lautet seine Analyse angesichts rund 70 Millionen „gehirngewaschener“ Trump-Wähler, die für vernünftige Argumente nicht mehr zugänglich sind. Und das vor allem, weil der scheidende Präsident Meldungen konventioneller Medien als Fake News apostrophiert und dieses Mantra auch nie mehr verlassen habe. Er hat sich die Impeachment-Vorträge angehört, erzählt Bilgeri, und hege deshalb wenig Optimismus, weil einige Republikaner den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen hätten und die anderen beinhart in Trumps Kielwasser schwimmen, um wieder zu ihren Pfründen zu kommen.
Drei Generationen, starke Frauen
Bilgeris Roman spielt im New York des Jahres 2020 und der Titel ist keine Mogelpackung, denn auch wenn Tom, eine der Hauptfiguren, als Journalist um die Mechanismen in der Politik weiß, fungiert er nur am Rande als Kommentator der Ereignisse. Die Ehe des gebürtigen Wieners mit der blitzgescheiten Amy ist in eine Krise geraten. „Wenn sich jemand bindet, dann soll er gefälligst kämpfen“, offenbart Bilgeri seine Sicht. „Ich schreibe aus meinem Leben heraus“, gibt der Autor zu. „Ich habe das Glück, seit 35 Jahren mit meiner Frau zusammenzuleben.“ Dieser Fakt habe auch zum Wunsch geführt, ein „Hohelied auf die Liebe“ zu singen. In letzter Zeit sei nicht nur die Ehe, sondern auch die Liebe entwertet worden. Ob das nun konservativ klinge, sei ihm einerlei. In der Stille des Lockdowns, in der er auch deutlich zeigt, wie die enorme Kluft zwischen Arm und Reich in dieser Millionenmetropole zu Tage tritt, stellt er ein Ehepaar in den Fokus. „Ich wollte sie die Hindernisse, die nun virulent werden, abarbeiten lassen.“ Es sind sogar drei Generationen, denen Bilgeri Aufmerksamkeit schenkt. „Bei den drei Beziehungen, die es da gibt, ist immer die Frau die stärkere. Ansonsten war es mir wichtig, dass man ästimiert, was mit der Bindungsart der Ehe gemeint ist.“
Sinnlichkeit
„Wenn dir die Worte zuerst fehlen, findet man sich über die Sinnlichkeit wieder“, erklärt Bilgeri seine Sexszenen. Es habe ihm Spaß gemacht, auch diese Art des Zueinanderfindens aufzuzeigen.
Reinhold Bilgeri kennt New York aus früheren Reisen, die Situation im Lockdown habe ihm seine Tochter, die Schauspielerin Laura Bilgeri, geschildert. Mit einem Wiener Freund, der in den USA lebt, hat er sich zudem ausgetauscht. So ist es dann etwa zur Schilderung von Menschen gekommen, die stundenlang nicht in ihre Hochhauswohnungen kamen, weil wegen Corona nur jeweils zwei Personen in die Lifte durften.
Und doch Politik
Bilgeri schreibt mittlerweile an einem Buch über die Tatsache, dass katholische Bischöfe Massenmörder gedeckt bzw. Nazi-Kriegsverbrechern die Flucht nach Südamerika ermöglicht hatten. Das Gespräch endet mit der Politik: Zu beobachten, dass in Österreich der Parlamentarismus zum Teil lächerlich gemacht werde, mache ihm zu schaffen. „Kurz hat die messianische Attitüde des Retters, dahinter verbirgt sich aber ein aalglatter Machtmensch, dem die Außenwirkung und Umfragewerte viel wichtiger sind als eine soziale Balance in der Evolution unserer Gesellschaft. Die soziale Balance würde nämlich eine Idee von Empathie verlangen. Wenn jemand derart auf Machterhalt aus ist, dann legt er sich auch mit Menschen wie Strache ins Bett, obwohl er gewusst haben muss, was in deren Köpfen vorgeht. Die haben von der Orbanisierung Österreichs geträumt. Wer mit solchen Leuten koaliert, darf sich nicht wundern, wenn ihm mangelndes Geschichtsbewusstsein attestiert wird. Ein sturer Blick auf die Umfragewerte und ein mangelhaftes Geschichtsbewusstsein, das ist ein gefährliches Gemenge.“
„Kurz hat die messianische Attitüde des Retters, dahinter verbirgt sich aber ein aalglatter Machtmensch.“


Der Roman „Die Liebe im leisen Land“ von Reinhold Bilgeri (Amalthea) erscheint nächste Woche. Online-Lesung, 20. Jänner, nach der Sendung „Vorarlberg live“.