„So ist Oper nicht finanzierbar“

Das Vorarlberger Landestheater wird nicht nur von Corona ausgebremst.
Bregenz Die Aufführung wäre bereits aufgrund der Stückwahl etwas Besonderes. Nachdem sich das Vorarlberger Landestheater für die seit den frühen 1990er-Jahren jährlich realisierte große Musiktheaterproduktion am bekannteren Repertoire orientiert hat, kündigte Intendantin Stephanie Gräve mit „Jephtha“ eine überraschende Entscheidung an. Das 1752 in London uraufgeführte dramatische Oratorium von Georg Friedrich Händel markiert ein Ausscheren aus der bisherigen Stückserie, die auf die Realisierbarkeit auf der vergleichsweise kleinen Bühne im Kornmarkttheater ausgerichtet war. Von den jeweils biennal durchgeführten Aufführungen im Bregenzer Festspielhaus war man bereits in der zweiten Dekade abgerückt. Von dort an galten das Ausmaß des Orchestergrabens am Kornmarkt sowie eine nicht ausufernde Zahl an Solisten als Maßstab. Abgesehen von einer personenreichen „Zauberflöte“ oder einem „Fidelio“, der sich klanglich gerade noch ausging, hielt man sich daran.
Eine maßgebliche Grenze ergab sich auch durch das knappe Budget. Das beweist sich heuer auf höchst unangenehme Weise. Während man nämlich davon ausgehen kann, dass es auch Vorteile hat, wenn man nur aus einem eingeschränkten Repertoire schöpfen kann, ist die finanzielle Situation am Landestheater nun so prekär, dass nicht nur die diesjährige Produktion, sondern das Musiktheater überhaupt auf der Kippe steht.
Weitere Auflagen bedeuten das Aus
Im Gespräch mit den VN erläutert Stephanie Gräve den Ernst der Lage. Obwohl die Sänger angereist sind und am Dienstag mit den Proben begonnen wird, könnte es sein, dass sie die Aufführungen absagen muss. Nun hängt alles vom Inhalt und vom Zeitpunkt der Verordnungen des Kulturministeriums für die Öffnung der Theater ab. Im März spielen zu dürfen, reiche nicht. Von Vorteil wäre die Belegung des rund 500 Zuschauer fassenden Hauses zu 70 Prozent, wenn die Besucherzahl um gut die Hälfte beschränkt werden muss, sei das Unternehmen Musiktheater nicht finanzierbar. Die Produktion würde dann um ein Jahr verschoben werden. Dieselbe Entscheidung ist in dieser Spielzeit bereits für das Familienstück „Pünktchen und Anton“ gefallen. Die zu Ende geprobten Produktionen „Tasso!“ nach Goethe und „Alle meine Söhne“ von Arthur Miller möchte sie heuer noch unterbringen, ansonsten mache es aber keinen Sinn, Produziertes wie eine Bugwelle vor sich her zu schieben.
Testungen als finanzielles Problem
Selbstverständlich müssen sich auch beim Landestheater alle Mitwirkenden Corona-Tests unterziehen. Die Budgetknappheit wird deutlich, wenn Gräve erzählt, dass sich für das Unternehmen daraus bereits ein finanzielles Problem ergibt. Die Kosten für die laufenden Mitarbeitertestungen müssen an anderer Stelle eingespart werden, zusätzliche Mittel vonseiten des Landes gebe es dafür nicht. Am Montagnachmittag habe es dann geheißen, dass man Testkits zur Verfügung stellt, nicht aber das medizinische Personal. Dabei ist es Gräve, wie sie betont, wichtig, durch die Testungen so etwas wie eine Normalität in den Arbeitsabläufen zu entwickeln. Gerne würde sie die Tests auch den Abonnenten anbieten. Gräve vertritt die Meinung, dass jeder seinen Beitrag zur Eindämmung der Pandemie leisten und das Thema Zutrittstests entspannt angehen sollte.
Wenn die Musiktheaterproduktion heuer storniert wird, steht allerdings noch nicht fest, ob und wie man Opern in Zukunft finanziert. Beim Produktionspartner, dem Symphonieorchester Vorarlberg, erachtet man sie als künstlerisch wertvoll, man kämpft aber seit Jahren auch dort mit Budgetknappheit. Das Land hat die Investition für das im Österreich-Vergleich mit rund vier Millionen Euro äußerst gering dotierte Vorarlberger Theater heuer um gut drei Prozent gekürzt. Für Stephanie Gräve heißt das, dass die Politik, die einen umfangreichen Spielplan sowie das Musiktheater gut heißt, entscheiden muss, in welcher Liga das Haus in Zukunft überhaupt mitspielen soll.
„Das Land muss entscheiden, in welcher Liga es überhaupt mitspielen will.“
