Knapp vorbei ist auch daneben

Bad Regina
David Schalko
KiWi
396 Seiten
David Schalko spielt seine Vorzüge nicht aus.
Wie das?
Romane Ein Chinese, der in Österreichs Alpen eine Immobilie nach der anderen kauft, ist nichts Neues. Den kultivierten Grind eines Hauptcharakters à la Hermes Phettberg, oder der Schlossherr Roland, der sein Schloss nur noch in einem Zimmer bewohnen kann, kennt man aus dem Fernsehen. Der Bürgermeister als Nazi mit „auch guten Seiten“, gehört ebenso zum „österreichischen Repertoire“. Zugleich ist das die Saat des neuen Romans von David Schalko. In „Bad Regina“ führt der Autor das traurige Sterben eines ehemaligen Kurorts im Herzen von Österreich vor. Bad Gastein lässt grüßen. Als große Frage in dieser Geschichte tut sich auf, warum ein Chinese um einen Haufen Geld die gesamten Häuser zusammenkauft und sie dann verfallen lässt. Daneben wird quasi an den handelnden Personen David Schalkos Österreich vorgestellt.
Morbide Landschaften
Hier werden immer wieder Bilder des Niedergangs gezeigt, durchaus gelungen, wie der Springbock, der mitten im Turnsaal der Schule zurückgelassen wurde und scheinbar für immer stehen bleibt, oder wie das Veranstaltungszentrum, in den 1970er-Jahren erbaut, und ebenso dem Niedergang preisgegeben wird. Die Bevölkerung scheint es gespürt zu haben, nur noch 46 Personen leben in Schalkos Bad Regina. Den wöchentlichen Einkauf stellt übrigens der Paketdienst zu. Wirklich sehr tolle Ideen, aber es liest sich eher wie eine Anleitung zu einem Film oder einer Schalko-Serie: In der ersten Hälfte des Romans führt der Autor ins Setting ein, im zweiten kommt es zur Handlung. Leider zu spät, um Fahrt aufzunehmen. Da hat die Ausnahmeerscheinung des österreichischen TV-Films vergessen, den Umschaltknopf zu bestätigen. Der Schweizer Friedrich Dürrenmatt konnte das. „Es geschah am helllichten Tag“ war zuerst ein Drehbuch, dann erst ein Roman. Aber einen Roman zu schreiben, bedarf der vollen Hingabe des Autors und wohl auch genügend Zeit.
Frankokanadische Großtat
Fast schon gemütlich liest sich Jacques Poulins „Volkswagen Blues“. Auf dem Cover ist bereits ein Bulli angeschnitten, ein VW-Bus also und eine lange gerade Autobahn, die durch eine Bergkette führt. Nicht unschwer zu erraten: Es ist es ein Roadmovie, das durch die USA führt. Wie immer steckt jedoch mehr dahinter: Jacques Poulin ist in Québec, in der französischen Provinz Kanadas, geboren, und seine Romane sind Klassiker der frankokanadischen Literatur. Im Grunde geht es im „Volkswagen Blues“ um die kanadische Geschichte, den American Dream und um den eigentlich wunderbaren und tatsächlich noch in Nuancen existierenden Schmelztiegel.
Im Regal neben Handke
Zum Inhalt: Der Autor Jack Waterman verlässt Montreal, um seinen Bruder Théo zu suchen, der ihm seit längerer Zeit abhanden gekommen ist. Unterwegs gabelt er eine Autostopperin auf, die von Geburt her eine halbe kanadische Indianerin ist und von ihrem Stamm aufgrund ihrer langen Beine „Große Heuschrecke“ genannt wird. Zusammen ziehen die beiden durch den halben Kontinent, um seinen Bruder und wohl auch sich selbst zu finden. Durch die kurzweiligen Ziele bleibt der Roman immer lebendig.
Peter Handke schrieb in seinen Anfangsjahren den Roman „Der kurzen Brief zum langen Abschied“, eine eigenwillige Reise durch die USA. In einem Regal ähnlich geratener Bücher würde sich der „Volkswagen Blues“ gut einfügen.

Volkswagen Blues
Jacques Poulin
Hanser
249 Seiten