Die Rollenbilder aufgebrochen

Anna und Maria Ritsch haben als Fotokünstlerinnen in New York und Wien reüssiert.
Dornbirn Als Kinder und Jugendliche haben sie schon gerne fotografiert. Wer mit Anna und Maria Ritsch spricht, spürt jedoch sofort, dass das gegenseitige Ablichten nicht auf die Optimierung des Selbstbildes fokussiert war, das künstlerische Experiment stand im Mittelpunkt. Dass die beiden Schwestern (Jahrgang 1984 und 1988) schließlich Fotokünstlerinnen werden, das war nicht vorprogrammiert, obwohl im Haus Ritsch diverse Kameras quasi zum Mobiliar gehörten. Es hat sich wohl auch nicht ergeben. Ihrer Intuition folgend, haben sie auf den Punkt hingearbeitet, an dem sie jetzt sind und von dem der Werdegang auch noch in verschiedene Richtungen gehen kann. Einige Entbehrungen waren durchaus nötig und nun stehen sie vor der ersten gemeinsamen Ausstellung. Sie findet nicht in New York oder Wien statt, wo die Schwestern arbeiten, sondern in ihrer Heimat Dornbirn. Mit Verena Kasper-Eisert hat eine namhafte Kuratorin die Auswahl der Arbeiten mitentschieden, die im Flatz Museum für die Besucher bereit stehen, die an sich nur auf das Go der Regierung warten, die zumindest Kunstbetrachtungen möglichst bald wieder zulassen sollte.
Gemeinsames Copyright
Ein Projekt dieser Ausstellung hat auch der Corona-Lockdown bedingt. Zu Hause sitzend und nur über digitale Leitungen miteinander verbunden, sollte das Sitzen zum Thema und zum Sujet werden. Bekannte wurden kontaktiert, ein anregender Austausch hat sich entwickelt, der zu einer Reihe von Bildern führte, deren Urheberin nicht mehr Anna oder Maria ist, sondern schlicht Anna Maria Ritsch. „Wir wollten nicht, dass sich die Leute beim Gang durch die Ausstellung dauernd mit der Frage beschäftigen, welches Bild nun von wem ist“, erklärt Anna Ritsch. Die Tatsache, dass sie sich in ihrer Arbeit, in der die Themen Identität, Rollenbilder oder Weiblichkeit wichtig sind, nun augenscheinlich annähern, scheint kein Problem zu sein. Auch für die nächste Ausstellung im Bregenzer Künstlerhaus haben sie eine gemeinsame Arbeit gestaltet. „Im Zusammenspiel ist eine besondere Qualität entstanden.“
Anna Ritsch hat in Wien Fotografie studiert, kam durch ein Praktikumsangebot nach New York und biss sich durch. Nein, das Wohnen in einer WG sei kein Klischee, meint sie, sondern die einzige finanzierbare Möglichkeit. Mit Porträt-, Mode- und Architekturfotografie stockt sie ihr Einkommen auf, die künstlerischen Arbeiten, mit denen sie auch Aspekten von Weiblichkeit und Männlichkeit nachspürt, stießen auf Aufmerksamkeit. Ausstellungen folgten. Auch wenn in einer Multikulti-Großstadt wie New York lästige Rollenklischees kaum spürbar sind, stellen sie anderswo durchaus noch ein Problem dar, meint sie: „Da liegt noch viel Arbeit vor uns.“
Stärke
Maria Ritsch hat unter anderem ein Lehramtstudium für Spanisch absolviert und an einem Gymnasium unterrichtet. „Ich war mir aber nicht hundertprozentig sicher, dass ich damit das mache, was ich wollte.“ Über ein Design-Studium kam sie zur Fotografie. Es muss die richtige Entscheidung gewesen sein, denn die Arbeiten wurden bald mit einem Stipendium belohnt. Apropos Identität: Der Frage nach der Entscheidung für extrem langes Haar weichen die beiden Künstlerinnen nicht aus. Unbewusst sei es vielleicht ein Identifikationselement geworden. Für einen Kurzhaarschnitt konnten sich beide nicht erwärmen. Das Haar gehöre zu ihrer Weiblichkeit und diese definieren sie mit Stärke.
„Es hat sich in Sachen Rollenbilder viel getan, aber es liegt noch viel Arbeit vor uns.“



Anna und Maria Ritsch stammen aus Dornbirn. Die Schwestern sind erfolgreich als Fotokünstlerinnen in New York und Wien tätig.
Die Ausstellung im Flatz Museum in Dornbirn läuft bis Sommer. Die Öffnung (vorläufig ab 8. Februar) hängt von den Verordnungen der Behörden ab: www.flatzmuseum.at