Junge Meistergeigerin kämpft für Beethovens Violinkonzert

Seit fast einem Jahr versucht Elisso Gogibedaschwili (20) vergeblich, Beethovens Violinkonzert bei uns aufzuführen.
HOHENEMS So schwer wie derzeit hatten es Kulturschaffende wohl noch nie. Besonders betroffen von gleich drei Corona-Lockdowns ist die international erfolgreich tätige Geigerin Elisso Gogibedaschwili. Doch auch nach vier Absagen hat sie den Mut nicht verloren, zusammen mit dem Arpeggione-Orchester einmal das Beethoven-Violinkonzert aufzuführen.
Dieses Konzert sollte am 21. März 2020 der Glanzpunkt zum Start der 30. Jubiläumssaison des Kammerorchesters Arpeggione sein. Doch da brach die Pandemie aus. Wie haben Sie und Ihr Vater Irakli als Intendant des Orchesters darauf reagiert?
Wir haben direkt Ersatztermine gesucht, am 14. November und 5. Dezember, dann nächste Woche am 13. Februar. Doch trotz vorgesehener Präventionsmaßnahmen mussten wir alle Termine absagen.
Ein Streaming-Angebot als Ersatz wurde nie angedacht?
Nein, denn es war uns bewusst, dass Musik erst durch den besonderen Austausch zwischen Musikern und Publikum zum Leben erweckt wird. Dieses Erlebnis ist einzigartig und sollte nicht ersetzt werden.
Verliert man da als junge, ambitionierte Künstlerin angesichts einer solchen Situation nicht den Mut und sagt sich: Ich pfeife auf Beethoven?
Nein! Jede Absage und Verschiebung der Termine hat mich nur dazu inspiriert, mich noch genauer mit dem Beethoven-Konzert zu beschäftigen, in das ich mich von Tag zu Tag noch mehr verliebe.
Es wurde also ein fünfter Termin fixiert, auch wenn das Beethoven-Jahr längst vorbei ist?
Ja, das Konzert wird nun am 13. November stattfinden zum Abschluss der diesjährigen Konzertsaison. Wir sind sehr optimistisch, dass es diesmal klappen wird und werden nicht aufgeben, für die Musik zu kämpfen.
Ein Künstler muss sich doch, wie ein Spitzensportler, auf einen Konzerttermin hin in Form bringen. Wie haben Sie stets von Neuem diese Motivation aufgebracht?
Als Künstler wird nie ein Punkt erreicht, an dem man „ausgelernt“ hat, deshalb ist es vielmehr ein lebenslanger Prozess, bei dem man sich selbst stets neu erfindet. Solange Musik einen mit Freude erfüllt, wird man immer neue Wege entdecken.
Bereits mit zehn gaben Sie mit Bruchs Violinkonzert ihr Orchesterdebüt, spielten Konzerte von Brahms, Sibelius und Paganini. Was ist bei Beethoven anders?
Einerseits ließen sich die Werke, die ich davor gespielt habe, alle von Beethoven inspirieren, da sein Werk sozusagen das Urgestein des heutigen Violinkonzertes ist. Andererseits ist Beethoven in seinem Schaffen als Komponist einzigartig, weil er wie kein anderer musikalische Botschaften komponiert hat.
Beethovens einziges Violinkonzert ist kein Virtuosenstück, die Anforderungen liegen mehr im Ausdruck. Woher nehmen Sie als junge Künstlerin dafür Sicherheit und Reife?
Anfangs muss man sich mit dem Werk, dem Komponisten, seiner Zeit befassen, damit man eine aussagekräftige Interpretation mit dem Publikum teilen kann. Ich versuche mich ganz in diese Welt zu begeben, als ob die Musik in diesem Moment erst entstehen würde. Bereits die vier Paukenschläge, auf denen das gesamte Konzert aufgebaut ist, schaffen eine unvergleichliche Atmosphäre.
Wo liegen für Sie persönlich die besonderen Hürden und Schönheiten dieses großen Werks?
Auf den ersten Blick in die Noten erkennt man: Das Werk besteht fast nur aus etüdenhaften Tonleitern und Dreiklängen. Erst bei genauerer Betrachtung sieht man, dass die ewige Suche nach Erlösung dahintersteckt. Schon der erste Oktavenaufgang beim Einsatz der Geige ist ein versuchter Eintritt in die Pforten der Unsterblichkeit. Nur die passende Gestaltung macht dieses Konzert zu Beethovens Meisterwerk.
Wie sehr war auch Ihre sonstige Konzertplanung von den Covid-19-Maßnahmen betroffen?
Das Leben an sich und vor allem als Künstlerin ist sehr ungewiss geworden, da auch jetzt noch ein massiver Einschnitt im Kulturbetrieb herrscht. Ich hatte das Glück, vor allem in der Umgebung Konzerte zu spielen und an Meisterkursen teilzunehmen, unter anderem beim Internationalen Violinfestival in Langenargen oder an der Musikakademie in Liechtenstein.
Ihr kostbares Instrument ist so etwas wie ein Markenzeichen?
Das ist eine italienische Geige vom Ende des 17. Jahrhunderts von Andrea Guarneri, die mir die Hohenemser Industriellenfamilie Otten großzügig zur Verfügung gestellt hat. Bei der Geige habe ich das Gefühl, dass sie lebt, mit mir atmet und ein Teil von mir wird. Tagtäglich entdecke ich neue Facetten an ihr, die mein Spiel inspirieren.
Was streben Sie nach Beethoven weiter an in Ihrer Karriere?
Dieses Jahr werde ich vor allem wieder in Deutschland, Russland und Italien konzertieren. Gleichzeitig möchte ich mich neben dem klassischen Violinrepertoire auch modernen Komponisten wie dem Vorarlberger Herbert Willi widmen. Fritz Jurmann
ZUR PERSON
GEBOREN 25. Februar 2000 in Hohenems
AUSBILDUNG Musikgymnasium Feldkirch, Musikhochschule Karlsruhe
TÄTIGKEIT Internationale Konzerte als Solistin großer Orchester in Europa, Asien und den USA, Recitals und Kammermusik
AUSZEICHNUNG Stipendium 2020 des Richard-Wagner-Verbandes Vorarlberg