Wo es ganz in der Nähe Meisterwerke zu sehen gibt

Tobias G. Natter kuratiert große Ausstellungen mit Klimt, Hodler und Co. in der Schweiz.
Wien, St. Gallen, Zürich Der Jugendstil ist im St. Galler Stadtbild noch sehr präsent und dass es in Zürich einmal eine Filiale der Wiener Werkstätte gab, das wird in den nächsten Monaten im Besonderen betont. Die Wiederöffnung der Ausstellungshäuser nach dem Lockdown in der Schweiz enthält auch aus österreichischer Perspektive einen interessanten Aspekt. Zwei der neuen Sonderausstellungen – eine im Historischen Museum in St. Gallen und eine im Kunsthaus Zürich – werden vom Kunsthistoriker Tobias G. Natter kuratiert, dessen Spezialgebiet die Kunst in Wien um 1900 ist. Dass es in leicht erreichbarer Nähe Meisterwerke von Klimt und Schiele zu sehen gibt, steht außer Frage.
Aufbruchsstimmung
„Klimt und seine Freunde“ heißt es in St. Gallen vom 27. März bis 25. Juli. Das 100-Jahr-Jubiläum des Historischen Museums soll mit 100 Meisterwerken gefeiert werden. Die zeitliche Einordnung ist gut nachvollziehbar. Die Textilindustrie erlebte damals in der Stadt ihre Blütezeit, zahlreiche Bauten wurden mit typischen Elementen des Jugendstils versehen. Tobias G. Natter, einst Direktor des Vorarlberger Landesmuseums, des Leopoldmuseums in Wien, international tätiger Ausstellungskurator und Verfasser von umfangreichen Werken über Klimt und Schiele, zeigt Klimt (1862-1918) als Figur der Wiener Secession. Dem Vorarlberger Experten geht es aber auch darum, die damalige Aufbruchsstimmung in der Wiener Kunstszene transparent zu machen, die viele junge Talente hervorgebracht hat. Schon vor einigen Jahren verantwortete er in der Frankfurter Schirn-Kunsthalle eine Ausstellung mit Farbholzschnitten bzw. mit grafischen Arbeiten, in der innovative Zugänge deutlich wurden oder die auch die künstlerischen Leistungen von Frauen zeigte, die sich durchzusetzen begannen. Natter: „Die Grafik war die wichtigste Versuchsbühne für den Nachwuchs.“ Ein weiterer Schwerpunkt berühre auch die Faszination für den Japonismus, die durch die Reisetätigkeit der Textilunternehmer zusätzlich geschürt wurde.
„St. Gallen hat viele Jugendstilbauten. Um 1900 war dort die Blütezeit der Textilindustrie.“
Tobias Natter, Kunsthistoriker, Ausstellungskurator
In Kontakt kommt man durch die Ausstellung auch mit der Sammlung Kamm, die im Kunsthaus in Zug beheimatet ist und zahlreiche Bezugspunkte zur Wiener Moderne aufweist.
Hodler und die Wiener
Das Kunsthaus Zürich eröffnet in diesem Jahr nicht nur den großen Erweiterungsbau nach Plänen des Architekten David Chipperfield, erinnert wird auch an die Gründerjahre, in denen Ferdinand Hodler (1853-1918) ebenso eine große Rolle spielte wie die Wiener Werkstätte. Der Schweizer Maler entwickelte ein Faible für Wien, hatte die epochale Ausstellung im Jahr 1904 in der Wiener Secession besucht und gab bei der Wiener Werkstätte das Mobiliar für seine Genfer Wohnung in Auftrag. Informiert soll ab Ende Mai auch darüber werden, dass diese Produktionsgemeinschaft bildender Künstler im Jahr 1917 in Zürich eine Filiale errichtete. Damals herrschte in Österreich Krieg, in der Schweiz gab es zahlreiche Freunde der Idee vom Gesamtkunstwerk. Natürlich gab es auch Interesse an Klimt, den Natter dem Maler Hodler gegenüberstellt.