Unterwegs mit einer kleinen alten Leica
Eva Schmidt hat neue Erzählungen veröffentlicht. Im Gespräch verrät sie eine besonderen Affinität.
Bregenz „Auf dem Heimweg kam er an der Tankstelle vorbei, in der Automatenbar saßen zwei Männer. Von Weitem sah er die Bank, auf der Sonja und er gesessen waren. Jetzt war sie leer“, heißt es in einer Erzählung von Eva Schmidt. Sie handelt in der Tat von einem Verlassenen und von einer Frau, die nicht offenbart, warum sie gegangen ist und auch noch sein Geld mitgenommen hat. Was sich in solchen Texten zu Bildern formt, enthält stets etwas Geheimnisvolles und was offen bleibt, weckt Interesse. Wobei Schmidt jegliches Plakative, jegliche Absicht, die die Leser verstimmen könnte, fremd ist. Sie werden „Die Welt gegenüber“, das neue Buch der Vorarlberger Schriftstellerin, eher öfter zur Hand nehmen. Eva Schmidts Sprache hat die Kraft eines Bildes, das man immer wieder betrachtet, weil ein Blick aus dem Fenster, das Erfassen einer Landschaft, ein Interieur und dessen Bewohner den Momentaufnahmen entspricht, die wir zu Tausenden abspeichern und abrufen, mit denen wir Stimmungen verbinden und Gefühle, die sie in uns wachrufen, bevor wir sie benennen können.
Nach den Romanen „Die untalentierte Lügnerin“ und „Ein langes Jahr“, mit dem sie auf die Shortlist des renommierten Deutschen Buchpreises kam, hat sich Schmidt nun wieder Erzählungen zugewendet. Sie handeln von Beziehungen und Beziehungsgeflechten, von Wünschen, die mitunter noch gar nicht formuliert werden konnten, von Menschen, deren Verhalten allein Beachtung erfährt, weil Schmidt eine Sprache findet. Psychologie habe sie immer schon interessiert, sagt sie, aber natürlich möchte sie nicht psychologisieren. Es passiert ihr nicht. „Ich schreibe nie über Menschen, die ich kenne“, sagt sie und lässt in diese besondere Beziehung zwischen Autorin und fiktiven Figuren vordringen: „Es entsteht auch nicht jede Figur aus einer Beobachtung, nur manchmal habe ich eine Person vor Augen, die ich einmal gesehen habe. Wenn mich eine meiner Figuren über längere Zeit interessiert, dann folge ich ihr.“ Sie wieder zu verlassen, fällt ihr nicht schwer. Sollte ihr ein distanzierter Ton attestiert werden, so entstehe dieser aufgrund der Nähe zu ihren Charakteren. „Wenn man jemandem zu nahe kommt, dann wird der Text zu gefühlsbetont.“
Bildende Kunst
Eine Affinität zur bildenden Kunst räumt Eva Schmidt übrigens ohne Umschweife ein. Edward Hopper spielte unter anderem eine Rolle, aber vor allem der Fotokünstler Gregory Crewdson. Sie kennt fast alle diese Szenen, in denen sich Realität und Traum vermischen, oder die den Begriff Suspense so eindrücklich verdeutlichen. Nicht verwunderlich, dass das Umschlagbild, eine Landschaft von Ole Marius Joergensen, mit Bedacht ausgewählt wurde. Wer weiter fragt, dem offenbart Eva Schmidt auch eine besondere Leidenschaft. Zu fotografieren habe sie bereits vor 20, 30 Jahren begonnen. Personen, Landschaften und vor allem Industrieanlagen interessieren sie. Besonders anziehende Orte seien alle Gegenden an einem See. In Fabriken, Silos oder selbst in Mülldeponien interessiert und entdeckt sie eine besondere Art von Schönheit. Sie hatte sich vor Jahren selbst eine Dunkelkammer eingerichtet, hat dann eine Zeitlang digital fotografiert, ist jetzt aber wieder bei der analogen Technik gelandet und ist mit einer alten Leica unterwegs. Wird sie einmal ihre Bilder öffentlich machen? Niemals, meint sie, ich dilettiere auf diesem Gebiet doch nur.
Was das Schreiben betrifft, hat sie nach Abschluss des Erzählbandes pausiert, nun aber schon wieder losgelegt.
„Ich schreibe nie über Menschen, die ich kenne. Da ist ein Bild, aber die Figur ist fiktiv.“
Zur Person
Eva Schmidt
Geboren 1952 in Lustenau
Tätigkeit Schriftstellerin
Publikationen „Ein Vergleich mit dem Leben“, „Reigen“, „Zwischen der Zeit“, „Ein langes Jahr“, „Die untalentierte Lügnerin“ , „Die Welt gegenüber“
Auszeichnungen Shortlist zum Deutschen Buchpreis mit „Ein langes Jahr“, Rauriser Literaturpreis, Manuskriptepreis des Forum Stadtpark, Nicolas-Born-Preis u.a.
Wohnort Bregenz
Die Erzählungen von Eva Schmidt sind unter dem Titel “Die Welt gegenüber” im Verlag Jung und Jung erschienen. Das Buch ist seit Kurzem erhältlich.
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