Theater nach dem Lockdown: Zutiefst berührende Kosmos-Produktion

Kultur / 21.03.2021 • 18:30 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Theater nach dem Lockdown: Zutiefst berührende Kosmos-Produktion
“Wunschloses Unglück” mit Daniela Gaets und Simon Alois Huber im Theater Kosmos. VN/PAULITSCH

Theater Kosmos spielt “Wunschloses Unglück” von Peter Handke: ein besonderes Ereignis.

Bregenz Es ist eine seltsame Konstellation, denn, wie viel Trauer auch im Text „Wunschloses Unglück“ von Peter Handke liegt, die Besucher, die die Produktion nun nach Monaten mit Veranstaltungsverboten endlich sehen durften, waren glücklich. Sie verbreiteten im Foyer und auf dem Vorplatz des Theaters Kosmos bereits positive Stimmung. Nur jeweils 100 negativ auf Covid 19 getesteten Personen wird Eintritt gewährt. Etwas Euphorie wird spürbar, Kunst- und Kultur rangieren bei den Öffnungsschritten, die die Bundesregierung zulässt, nicht mehr an allerletzter Stelle, zumindest mit der Gastro dürfen nun in Vorarlberg auch jene Kulturschaffenden aktiv werden, die längst bewiesen haben, dass sich ihr Publikum an strikte Präventionskonzepte hält. „Die Bregenzer Testspiele sind eröffnet“, verbreitete sich als von irgendjemandem eingeworfenes und hörbar weitergegebenes Motto unter den Eingelassenen. Mit nüchternem Pragmatismus werden Theater- und Musikfreunde das Testen, Maskentragen und Abstandhalten in den Alltag integrieren. Bis zu den Bregenzer Festspielen im Sommer, bei denen das Theater Kosmos mit der Uraufführung von „Lohn der Nacht“ von Bernhard Studlar auftritt, gibt es hoffentlich genügend Impfstoff.

Besondere Vorgeschichte

Im November letzten Jahres war die Premiere von „Wunschloses Unglück“ vorgesehen, doch zur Generalprobe erfolgte der Lockdown. Einen Text von Peter Handke auf den Spielplan zu setzen, war für Hubert Dragaschnig und Augustin Jagg, den Kosmos-Leitern, kein Spekulieren mit der besonders hohen Aufmerksamkeit, die dem Literaturnobelpreisträger seit Herbst 2019 zuteil wurde. Handkes „Untertagblues“  zählt zu den Erfolgsproduktionen in der Theatergeschichte und die Umsetzung von „Wunschloses Unglück“ war schon vor einigen Jahren auf der Heunburg in Kärnten, wo Jagg bereits Regie führte und Stefan Pfeistlinger, der nun das Bühnenbild gestaltete, die künstlerische Leitung innehatte, eine besondere Herausforderung. Diese Spielstätte ist nicht weit von Griffen entfernt, dem Ort, aus dem Peter Handke stammt und in dem seine Mutter starb.

Von ihr handelt der Text, von dem es mittlerweile Hörspielfassungen und eine Verfilmung gibt und der 2014 auf einer Nebenbühne des Wiener Burgtheaters in einer Bearbeitung von Duncan MacMillan in der Regie von Katie Mitchell gezeigt wurde, in der die Filmszenen neben den gespielten überwiegen und das eigentliche Schicksal der Frau hinter dem herausgestellten Akt der literarischen Verarbeitung nahezu verblasst.

Ein derartiger Zugang würde Augustin Jagg wohl nicht behagen, er vertraut ganz auf den Text und die Rezitationskunst seiner Schauspieler Daniela Gaets als Maria Handke und Simon Alois Huber als Erzähler. Ein Blick durch ein Fenster auf die herbstliche Natur reicht als Ausstattung für die Einblicke in das Leben einer Frau, die kaum etwas selbst zu bestimmen hat. Sie ist eine gute Schülerin, eine Berufsausbildung zu absolvieren, ist in ihrer Familie für Mädchen aber nicht vorgesehen. Die erste Liebe ist ein verheirateter deutscher Soldat, eine „Sparkassenexistenz“, wie ihn der Erzähler nennt. Sie heiratet einen anderen Mann, weil das Leben mit einem unehelichen Kind noch schwerer gewesen wäre, und erledigt den Alltag. „Selten wunschlos und irgendwie glücklich, meistens wunschlos und ein bisschen unglücklich“, beschreibt sie ihr Dasein, das sie mit etwa 50 Jahren mit Schlaftabletten beenden will.

Jedem Satz Spannung verliehen

Daniela Gaets fängt die Grundthematik, die nicht von Resignation bestimmt ist, mit einem ruhigen Ton auf, der jedem Satz Spannung verleiht. In souveräner Abstimmung mit dem Part des Erzählers vermitteln die beiden dieses nicht vordergründig, aber stets so weit von Angst durchzogene Gefühlsspektrum im Leben einer Frau, das einen Ausbruch aus ihrer Situation behindert.   

Die Musikauswahl von Herwig Zamernik unterstreicht den im Fokus stehenden Aspekt: Wir blicken auf das Leben einer Frau und – obwohl es konkret ungesagt bleibt – auf gesellschaftspolitische Umstände, die uns immer noch tangieren. 1972 ist die Erzählung erschienen, in den 1970er-Jahren hat die Gesellschaft einige Fortschritte gemacht, doch „Wunschloses Unglück“ wirkt nicht fern und berührt zutiefst. Vor allem auch in dieser Bühnenfassung.

Weitere Aufführunen vorläufig bis 28. März, jeweils 11 und 17 Uhr.

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