Grandioser Auftakt der Open-Air-Saison

Das Vorarlberger Ensemble Café Fuerte macht Theater, das unterhält, informiert und sich in seiner Komplexität einprägt.
Hittisau Bereits bis zu einer Million Pakete sollen es sein, die in Stoßzeiten, also vor Weihnachten, vor sonstigen Feiertagen oder in der Pandemie in Österreich bestellt, gestapelt und schließlich ausgeliefert werden. Stets bis zur noch so entlegenen Wohnungstür, die nicht immer aufgeht, wenn der Bote klingelt. Der hinterlässt dann eine Nachricht und hat vor allem ein Problem – er gerät in Zeitverzug. Der Arbeitgeber sitzt ihm quasi mit der Stoppuhr im Genick und scheffelt Millionen, nein Milliarden. Vor allem in Lockdown-Zeiten läuft das Geschäft wie geschmiert, auch der geschlossene Shop behindert den Konsumenten nicht, der Einkauf von Waren, die zu einem hohen Prozentteil gar nicht gebraucht werden, lässt sich zu jeder Zeit optimieren. Abgesehen von jenen, denen Geld oder Kreditwürdigkeit für diesen modern gewordenen Zeitvertreib fehlen, bleibt vor allem einer auf der Strecke – der Paketbote. Durch Gesetzeslücken vorbeigeleitet an sozialpartnerschaftlichen Prinzipien und angewiesen auf die paar Cent pro Lieferung, schuftet und rennt er von frühmorgens bis spätabends.
Das Stück der Stunde
Im Takt gehalten von den Beats des Schlagzeugers formieren sich vier Schauspieler unter freiem Himmel in Hittisau zu einem Team von rasenden Beglückern der fett gewordenen Empfänger. „Pakete Pakete“ von Tobias Fend, produziert im vergangenen Herbst und aufgehalten vom Lockdown, wird zum Stück der Stunde. Der bislang unbeleuchtete Aspekt der Wohlstandsgesellschaft dominiert nun den Premierenreigen, der in Österreich nur den Vorarlbergern zuteil wird, die seit einigen Tagen zumindest vor 20 Uhr in sehr kleinen Gruppen Kunst und Kultur erfahren dürfen. Mit dem Nachweis eines aktuellen negativen Corona-Tests wird Einlass gewährt. Man sitzt korrekt maskiert auf personalisierten Plätzen, eine Decke macht die spätwinterlichen Temperaturen gut erträglich. Jeder hält diszipliniert Abstand. Ein Ordnungshüter schaut vorbei. Kulturschaffende, deren Präventionskonzepte längst erprobt wurden, stehen unter strenger Beobachtung. Wie beschrieb es jüngst ein Vorarlberger Orchesterleiter? Die Regierung hat lieber 3000 Menschen im Einkaufszentrum als 300 in einem Konzert.

Jeweils bis zu 100 Zuschauer dürfen es sein. Die Produktion von Café Fuerte, wie das Unternehmen von Tobias Fend und der Regisseurin Danielle Fend-Strahm heißt, wird noch mehrmals in Hittisau in einem von Ausstatter Matthias Strahm mit einem Kleintransporter aufgemöbelten Natur-Setting gespielt, dann – wenn noch erlaubt – in Lustenau, Götzis, Tschagguns und Koblach. Fend schreibt sozialkritische Stücke und beherrscht dabei einen souveränen Dreh: Mit eingestreuten Bildern, Situationen, Fantasien, mit weiteren Figuren, die die Schauspieler im raschen Wechsel verkörpern, entsteht Dramenliteratur von großer Dichte. Sie unterhält, informiert, überrascht, erfüllt den Wunsch nach anspruchsvollen Dialogen, Monologen und vermeidet Klischees.
Neben Tobias Fend, der in seinen Stücken fast immer auch spielt, schaffen Jeanne Devos, Gregor Weisgerber und John Kendall Figuren, die in ihrer Vielschichtigkeit das fordern, wovon oft zu wenig vorhanden ist: echte Empathie. Am Schlagzeug übernimmt Florian Wagner einen wichtigen Part, dem Regisseurin Danielle Fend-Strahm Raum gibt, damit ein Gesamtbild entsteht, das sich uns in seiner Komplexität einprägt.
Weitere Aufführungen am 26., 27. und 28. März, 18 Uhr, Parkplatz des Gasthofs Krone in Hittisau, vom 7. bis 25. April in Egg, Lustenau, Götzis, Tschagguns und Koblach: cafefuerte.at