Wie ein Handke-Stück im Steinwildgehege wirkt

Hervorragende Alternative: “Kaspar” wird im Feldkircher Wildpark zum überzeugenden Theaterprojekt.
Feldkirch Peter Handkes Stück „Kaspar“ ist derart mit den Ereignissen der späten 1960er-Jahre verbunden (Studentenproteste, Hinterfragung von Autoritäten etc.), dass diese Zeit meist auch in neueren Inszenierungen hereinweht. So geschehen vor drei Jahren, als das Vorarlberger Landestheater das Stück in der Regie von Carina Riedl umsetzte. Andreas Jähnert war einst Schauspieler an dieser Bühne, wirkte später auch beim Aktionstheater mit, gründete das Ensemble „Sprachfehler“ und realisierte in letzter Zeit bzw. in den Lücken zwischen den Corona-Lockdowns mehrere Projekte an verschiedenen Orten. Dass er nun „Kaspar“ wählte und inszenierte, erstaunt nach den „Sprachfehler“-Stücken wenig und sollte die Wahl für den Feldkircher Wildpark als Auftrittspodium nur ein Plan B gewesen sein, so war es eine sehr gute Alternative für ein Haus, für dessen insgesamt hervorragende Bespielung man ihm weiterhin gute Wetterbedingungen wünscht.

Am Sonntagabend konnten die Voraussetzungen nicht besser sein. Die Sonne blinzelte noch durch die sattgrünen Blätter einzelner Bäume, die der Wind ins Schaukeln brachte. Handkes Sprache, die weder Pathos noch Rührung verträgt, schadet gerade im Fall von „Kaspar“, dieser sattsam bekannten Disziplinierung durch Artikulationsfähigkeit, der Kontrast durch Naturgeräusche nicht. Der Beginn der Handlung basiert auf dem Auftauchen des Findelkindes Kaspar Hauser Anfang des 19. Jahrhunderts in Nürnberg. Sascha Jähnert vermittelt die Auseinandersetzung mit Körper und Umwelt als klischeelos spannendes Herantasten und der Übergang vom ständigen Wiederholen eines Satzes („Ich möchte ein solcher werden wie einmal ein anderer gewesen ist“) zum durchgängigen Sprechen, bleibt folgerichtig unbetont. Einsagerin Virginia V. Hartmann verhält sich souverän so weit distanziert, dass allzu einfache Mechanismen der Manipulation nicht zum zentralen Thema werden.
Politische Dimension
Dass an diesem Abend Einspielungen von Aussagen von Margaret Thatcher oder des Papstes nicht funktionierten, tut der Wirkung wahrscheinlich keinen Abbruch. Die politische Dimension ist so oder so erkennbar und wird auch durch den Musiker Muhammad Nedib mit ein paar Sätzen in syrischer Sprache verdeutlicht. Der Körpereinsatz von Mir Zaman Rahimi zählt zu jenen Überhöhungen, die Andreas Jähnert als Bildsequenzen einfließen lässt. Der Choreografie des Ablaufs dient es ebenso wie die nahezu durchgehend weißen Kostüme der Ausstatterin Romy Rexheuser. Sie haben angesichts des Disziplinierungsaktes (den Jähnert in Miniszenen ab und zu ironisch untergräbt) eine Funktion und sind hinsichtlich eines dichten Landschaftstheaters, zu dem „Kaspar“ hier auch geworden ist, ein optisches Element, das bestens wirkt.
Weitere Aufführungen im Wildpark Feldkirch finden am 14., 15. und 16. Mai jeweils 18 Uhr, statt, Zutrittstest notwendig: Anmeldung unter kaspar.wildpark@gmail.com.


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