Beste Voraussetzungen für das Chorjubiläum

Kultur / 28.06.2021 • 10:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Beste Voraussetzungen für das Chorjubiläum
Vocale Neuburg unter der Leitung von Oskar Egle auf der Bühne Ambach in Götzis. JU

Oskar Egle ersann für die Vocale Neuburg ein Programm mit gesungenen und erzählten Sagen.

GÖTZIS „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie heute noch.“ Es steckt viel Weisheit in dieser Floskel, mit der die meisten Märchen enden und damit Unsterblichkeit andeuten. Auf der Bühne Ambach wurde dieses Mysterium nun zur beglückenden Realität für all jene, die sich auch als Erwachsene noch etwas vom kindlichen Gemüt bewahrt haben.

Das kam so: Es war einmal ein Chorleiter, dem ein schlimmes Virus seine Sänger vom Kammerchor Vocale Neuburg raubte und der fast ein Jahr lang nicht mehr mit ihnen proben konnte. „Das waren sehr schwierige Zeiten“, resümiert Oskar Egle heute. Damit lag auch seine Idee von einem „sagenhaften“ Programm mit Chorstücken und Erzählungen vorderhand auf Eis. Doch seine 30 Getreuen erlösten ihn von dieser Zwangspause und übten fleißig im „Homesinging“, das ihnen der einfallsreiche Chorguru verordnet hatte, bis die ersten Öffnungen ein Proben mit Abständen in großen Hallen oder im Freien erlaubten. „Unzumutbare Umstände“, so Egle heute etwas ungehalten. Der Feinschliff freilich konnte erst nach weiteren Lockerungen in den letzten Wochen erfolgen, und so präsentierte sich der Kammerchor Vocale Neuburg, der heute zu den führenden Chorvereinigungen im Land zählt und im modernen Repertoire unschlagbar ist, seinem Publikum sozusagen auf den letzten Drücker in fast gewohnter Hochform.

Die aus Vorarlberg stammende, in Deutschland tätige Schauspielerin Katharina Ritter agierte als Erzählerin. <span class="copyright">JU</span>
Die aus Vorarlberg stammende, in Deutschland tätige Schauspielerin Katharina Ritter agierte als Erzählerin. JU

Damit war für Egle das Chorproblem gelöst. Für die andere Hälfte des Abends aber hatte er die glänzende Idee, die bei uns wenig bekannte, aus Andelsbuch stammende Schauspielerin Katharina Ritter einzuladen. Ein Glücksgriff, denn die in der Münchner Filmbranche tätige Erzählerin findet in ihrer natürlichen, ungeschminkt schönen Sprache und Ausdrucksweise sehr rasch einen lebendigen Kontakt zum Publikum und spart dabei auch nicht mit kleinen Anmerkungen im Dialekt oder feinsinnigem Humor. Da erstehen, alles frei formuliert, die Fabeln vom Rattenfänger von Hameln oder von König Artus‘ Tafelrunde mit einer wandelbaren Geliebten, bei der es letztlich um die Frage der Selbstbestimmung der Frau geht. Plastisches „Kino im Kopf“ zum Mitdenken also, Erzählungen voll gelebter Moral und Hintersinn, die mit ihrem hohen Anspruch das verbale Pendant zu den hochkarätigen Chordarbietungen bilden.  

Geschlossenes Klangbild

Da ist Oskar Egle wieder einmal voll in seinem Element, greift in einem tatsächlich „sagenhaften“, weil dem Thema untergeordneten und dazu noch enorm schwierigen Programm hochaktueller Chorwerke ins Volle. Ein kurzer Blick, eine leichte Handbewegung genügen, und der Chor mit einem Frauenanteil von rund zwei Dritteln spurt, bleibt auch in den oft abenteuerlich schrägen Harmonien gelassen und generiert ein wunderbar geschlossenes Klangbild, wie es mit den Jahren zum Markenzeichen von „Vocale“ geworden ist. Das zieht sich von einem kunstvoll verschachtelten Sprechgesang in John Cages „Once Upon a Time“ über stilisch aufgepeppte, oft bis zu achtstimmige Volksliedbearbeitungen wie „Es führt über den Main“ oder „Es waren zwei Königskinder“ zum absoluten Höhepunkt des Abends, „The Magic Paint Brush“ von John Hogbye, in der sich die Beweglichkeit der Stimmen mit dem körperlichen Ausdruck einer leichten Bewegungsregie paart und den Zuhörern unvergessliche Eindrücke beschert. Mit einer umwerfenden arrangierten Parodie auf den Uralt-Schlager „In der Bar zum Krokodil“ aus den Zwanzigern hat Vocale Neuburg schließlich auch die Lacher auf seiner Seite. Beste Voraussetzungen also, um im kommenden Jahr das unglaubliche Jubiläum des 40-jährigen Bestehens zu feiern – mit Gründer Oskar Egle natürlich.

FRITZ JURMANN                            

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