Mussorgskij in der weiträumigen Akustik einer Kirche

Kammerorchester Arpeggione machte sich die „Weißen Nächte in St. Petersburg“ zum Motto.
HOHENEMS Da hat sich Intendant Irakli Gogibedaschwili für das sommerliche Open Air seines Kammerorchesters Arpeggione diesmal ein besonders romantisch naturverbundenes Motto ausgedacht: „Weiße Nächte in St. Petersburg“. Doch zum dritten Mal in Folge machte das Wetter den Veranstaltern einen Strich durch die Rechnung und das Konzert musste in die Pfarrkirche St. Karl verlegt werden. Viel Arbeit für Veranstaltungsleiter Josef Kloiber und sein Team, rechtzeitig die Infrastruktur für das groß besetzte Orchester und die vielen Stammgäste dieses traditionell gesellschaftlichen Events an den neuen Ort zu verlegen.
Die „Weißen Nächte“ im russischen Kulturzentrum St. Petersburg werden bis heute als Party um die Sommersonnwende gefeiert, wenn es in der alten Zarenstadt mit ihren goldenen Kuppeln nie ganz dunkel wird. Dostojewski hat das in seiner berühmten Novelle 1848 verewigt. In Hohenems bäckt man naturgemäß kleinere Brötchen, aber viele hübsche Bezüge aus dem überlieferten Ideenschatz haben diesmal auch Eingang ins Arpeggione-Programm gefunden. So stammt der Dirigent des Abends, Vladimir Verbitsky, aus St. Petersburg, auch wenn er längst in Australien lebt. Der abgeklärt wirkende ältere Herr im weißen Jackett ist kein Pinsler mehr, der genau den Takt vorgibt. Viel lieber lässt er den Musikern oft die Freiheit, allein zu musizieren, während er gebannt zuhört. Dafür liebt er bei seinen Einsätzen die große Geste, die das Orchester gerne im Fortissimo beantwortet. So wird bei der einleitenden populären Suite „Bilder einer Ausstellung“ von Mussorgskij in der Ravel-Bearbeitung schon die erste Promenade zum wuchtigen Ausbruch, der die weiträumige Akustik der Kirche überstrapaziert. Je lauter gespielt wird, desto mehr bringt der gewaltige Hall schnelle Passagen zum Verschwimmen. Aber die Verhältnisse pendeln sich rasch ein, man gewöhnt sich auch an die opulente, großflächige Darstellung der expressionistisch gemalten Klangbilder, die vom Orchester detailgenau ausgeführt werden, bis im „Großen Tor von Kiew“ alles seine Erlösung findet.
“Eugen Onegin”
Die geheimnisvolle Welt der russischen Oper eröffnet sich den Zuhörern mit Musik aus der Oper „Eugen Onegin“ von Tschaikowsky. Das Werk entstand nach dem Roman von Alexander Puschkin, der darin die Situation junger Adeliger um 1820 in St. Petersburg beschreibt. Zwei große, an wichtigen Häusern tätige Gesangsstars aus Tiflis trumpfen mit zwei Arien daraus auf und verwandeln mit ihren Stimmen die Hohenemser Kirche flugs zur internationalen Opernbühne. Die Sopranistin Tamar Iveri singt in einer berührenden Darstellung und mit glänzenden Spitzen die berühmte Briefszene der Tatjana, der Tenor Irakli Murjikneli schmettert strahlend die bekannte Lenski-Arie in diesen Raum, der die Stimmen noch wunderbar vergrößert. Beide verkörpern auf ideale Weise die dunkel gefärbte Gesangskultur der russischen Oper, Arpeggione aber wird hier unter kundiger Anleitung zum flexibel begleitenden, vielfarbigen Opernorchester. Mit zwei Dauerbrennern von Johann Strauß, die während dessen Reise nach St. Petersburg entstanden sind, endet dieser besondere Abend: der Polka schnell „Unter Donner und Blitz“ und dem Walzer „Wiener Blut“, dem die beiden Gesangssolisten nochmals den Glanz ihrer kostbaren Stimmen verleihen.
Nächstes Arpeggione-Konzert: 11. September, 19.30 Uhr, Rittersaal Palast Hohenems – „Liberté“ (Dirigent und Klavier: Werner Bärtschi)