Bestens ins Blickfeld gerückt

Kultur / 23.07.2021 • 18:35 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Die Wiederaufnahme der Inszenierung der Oper „Rigoletto“ von Giuseppe Verdi auf der Bregenzer Seebühne bleibt ein überzeugendes Spektakel. VN/Steurer
Die Wiederaufnahme der Inszenierung der Oper „Rigoletto“ von Giuseppe Verdi auf der Bregenzer Seebühne bleibt ein überzeugendes Spektakel. VN/Steurer

Da kann der Clown lachen, wie er will. Am Bodensee wird Verdis „Rigoletto“ zur Frauensache.

Bregenz Es ist Festspielzeit am Bodensee. Woran man das erkennt? Vielleicht daran, dass sich der Star im Hintergrund, der See, am Premierenabend von Verdis Oper „Rigoletto“ von seiner besten Seite zeigt. Ganz sicher aber an der Musik, den Stimmen, den Ideen der Regie.

Früher saßen die Wiener Symphoniker im Orchestergraben aus Beton. Den Wellengang zu Füßen wurde dort musiziert. Heute sitzt das Orchester im großen Saal des Festspielhauses. Die hochentwickelte Tontechnik macht es möglich und „zaubert“ die akustische Illusion eines realen Orchestergrabens aus dem Haus auf die Seebühne. Tut das dem Hörerlebnis Abbruch? Keinesfalls. Gute Musik ist immer gute Musik. Dasselbe gilt für das Stück an sich. Die Erfolgsgeschichte von Verdis „Rigoletto“ beginnt mit der Premiere 1851 in Venedig und bleibt bis heute ungebrochen. Natürlich wird manches in der Vergrößerung, die das Stück auf der Seebühne erfährt, platter, kommt anfangs sogar stellenweise zäh in Fahrt. Gut ist es aber deswegen immer noch – und wird in Bregenz heuer ganz eindeutig zur Frauensache.

Das mag auf den ersten Blick im Gegensatz zur Handlung des „Rigoletto“ stehen. Hier scheinen die Männer am längeren Hebel zu sitzen, die die Damen als Spielball und austauschbare Betthupferchen missbrauchen. Eigentlich sind es aber doch die Frauenrollen, die auch im „Rigoletto“ innere Stärke beweisen. Sie handeln, auch wenn es für sie nicht immer gut ausgeht.

Der Hofnarr Rigoletto führt dem Herzog von Mantua eine Gespielin nach der anderen zu. Ob die das wollen oder nicht, interessiert ihn nicht. Bis der Blick des Herzogs auf Rigolettos Tochter Gilda fällt. Das lässt ihn dann doch nicht mehr ganz so unberührt. Kurz und gut, Gilda wird entführt und dem Herzog, in den sie sich zu allem Übel auch noch verliebt, zugeführt. Rigoletto versucht seine Tochter in Sicherheit zu bringen und beauftragt den Mörder Sparafucile, den Herzog zu töten. Der hat Gilda aber längst ad acta gelegt und nur noch Augen für Sparafuciles Schwester Maddalena. Maddalena rettet sogar das Leben des Herzogs, indem sie sich ihrem Bruder, dem Mörder, ebenfalls in frisch entflammter Liebe in den Weg stellt. Um Rigoletto glauben zu machen, er habe den Herzog ermordet, beschließt Sparafucile den nächsten Mann zu töten, der ihm begegnet. Gilda, die das gehört hat, tritt Sparafucile als Mann verkleidet gegenüber und beendet mit ihrem Tod das Melodrama um Lust, Rache und die große Liebe.

Gefühlszirkus

Regisseur Philipp Stölzl taucht diesen großen Gefühlszirkus in eine gruselig-schaurige Jahrmarktszenerie. Das Lachen des Clowns ist heimtückisch, die Liebenden werden in der überdimensionalen Manege der Seebühne vorgeführt. So wie die Fassade, hinter der Rigoletto sein böses Spiel spielt, Stück für Stück zerbröselt, zerfällt auch der das Bühnenbild dominierende Clownsschädel immer mehr und mehr. So grell wie das Verlangen des Herzogs dargestellt wird, so poetisch wählt Stölzl das Bild des zum Himmel aufsteigenden Ballons für die Liebe, die Gilda in ihrer Arie „Caro nome“ besingt. Ekaterina Sadovnikova ist eine stimmlich ausgezeichnete Gilda, Katrin Wundsam eine stimmlich wie schauspielerisch absolut überzeugende Maddalena. Long Long als lustgetriebener Herzog und Vladimir Stoyanov als schließlich verzweifelnder Rigoletto starten nach kleinen anfänglichen Unsicherheiten voll durch. Aber auch in den kleineren Partien wie etwa der des Sparafucile (Levente Páll) oder des Marullo (Wolfgang Stefan Schwaiger) finden sich starke, schön ausbalancierte Stimmen.

A propos Frauensache: Mit der Britin Julia Jones dirigiert erstmals eine Frau das Spiel auf dem See. Beinah etwas zahm scheint sie mit den Symphonikern den Abend zu beginnen. Dann aber legt sie an Tempo zu, findet zur perfekten Mischung an Volumen, sensibler Führung und zarten, fast intimen Passagen. Nun ist Verdis „Rigoletto“ ja keine Oper, die von großen Chorpassagen leben würde. Im Gegenteil, Verdi wählt hier auffallend oft den kleineren, intimeren Rahmen des Duetts. Wo aber der Chor zum Einsatz kommt, da überzeugten der Prager Philharmonische Chor sowie der Bregenzer Festspielchor unter der Leitung von Lukás Vasilek und Benjamin Lack. „Rigoletto“ in Bregenz, das ist groß, teilweise grell und plakativ, aber überzeugend.

„Rigoletto“ bleibt bis 22. August auf der Bregenzer Seebühne. Beginnzeiten im Juli jeweils um 21.15 Uhr, im August um 21 Uhr.