Freunde können mörderisch sein

Die verschwundenen Studentinnen
Alex Michaelides
Droemer
352 Seiten
Warum der Mensch nicht wie ein einsamer Wolf durch das Leben streift, ist fraglich, oft wäre es gesünder.
Romane Alex Michaelides legt einen Thriller namens „Die verschwundenen Studentinnen“ vor. Der Titel klingt etwas verstaubt, es handelt sich aber tatsächlich um heißen Stoff. Es verschwinden in diesem Thriller am laufenden Band Studentinnen, die relativ grausam zugerichtet in der Nähe der traditionsreichen Universität von Cambridge aufzufinden sind.
Ein erbarmungsloser Täter treibt also sein Unwesen. Im Fokus scheint jedoch die Studentin Zoe zu stehen, der sich der Täter mit aller Finesse genüsslich nähert und sich dann doch immer für eine der Kommilitoninnen entscheidet. Vielleicht auch, weil sich ihre Tante, die schlaue Psychologin Mariana Andros, um sie kümmert. Die zwei verbindet einiges, zum Beispiel, dass sie die letzten einer Familie sind. Alle anderen kamen bei diversen Katastrophen ums Leben. So etwas schweißt zusammen und ist auch für die Auflösung des Falls wesentlich. Als Verdächtige kommen drei verschiedene Personen in Frage, die fast schon abgedroschene Klassiker sind, aber vielleicht gerade deshalb so gut funktionieren: Der Professor Fosca, der von der Schar junger Studentinnen angehimmelt wird und eine makabre Lehre rund um einen griechischen Totenkult betreibt, oder ein Klient der Psychologin, der Gewaltverbrechen und Selbstverstümmelungen nicht abgeneigt ist. Zur Auswahl als Verdächtiger steht auch ein Mann, der ihr erstmalig im Zug begegnet, auf sie zugeht und dann immer wieder sehr zufällig auftaucht – ein klassischer MacGuffin á la Alfred Hitchcock, oder doch mehr?
Zugegeben, das Alter der Protagonisten ist nicht immer abgestimmt und gelegentlich wird auf Kosten der Dynamik zu viel geschwafelt. Doch der im Aufbau sehr klassische Thriller läuft, und läuft und läuft, bis er am Schluss doch eine interessante Wendung aufzeigt.
Die distanzierte Familie
Eine ganz andere Baustelle beackert die deutsche Autorin Elke Schmitter: „Inneres Wetter“ nennt sich ihr aktueller Roman und wer mit Martin Walser durch ist, kann bei Elke Schmitter weiterlesen. Das kann durchaus auch als Warnung gedeutet werden, da Walser nicht jedermanns Sache ist, doch hat die deutsche Autorin ein sehr gutes Gespür für deutsche, gutbürgerliche Familien und ihre Probleme. Ihr reicht eine einzige zukünftige Handlung, die sie in den Raum stellt und an der arbeitet sich eine ganze Familie ab: „Sollen wir den Vater zum 77. Geburtstag einen Überraschungsbesuch abstatten?“, lautet die Frage und schon geht es rund. Erinnerungen an die Kindheit und Jugend kommen zum Vorschein sowie Misstrauen und Feindseligkeit den andern gegenüber.
Man hat sich eben auseinandergelebt! Sehr treffend und leicht ätzend schildert die Autorin einen bürgerlichen, unterkühlten Umgang zueinander. Antiquierte Verhaltensmuster treten zutage, die in gut situierten Familien auch heutzutage noch vorkommen und genug Stoff für Buch, Film und Serien hergeben. Natürlich fördert die Unsicherheit auch die den Kapiteln vorangestellten E-Mails, die unter den Familienmitgliedern nur unregelmäßig versandt werden und so eigentlich mehr verstören, als dass sie hilfreich wären. Ungefähr in der Mitte des Romans beginnt die Geschichte zu verebben, weil sich im Sein der Protagonisten doch eine gewisse Routine eingeschlichen hat und so auch in ihre Denkvorgänge redundant wirken. Aber der Tag des Besuchs nähert sich und so auch die berechtigte Neugier des Lesers, wie es denn werden wird.

Inneres Wetter
Elke Schmitter
C. H. Beck
203 Seiten