Bestens vergegenwärtigte antike Mythologie

Mit “Elektra” findet ein Opernmacher-Team wieder zum Erzählen zurück.
Salzburg Dass das Orchester zu Beginn stumm bleibt, macht dramaturgisch Sinn und wird von Franz Welser Möst am Pult der Wiener Philharmoniker später ohnehin mehr als nur ausgeglichen. Der Sängerdirigent schlechthin, der alles dransetzt, um den Klang der Stimmen im riesigen Raum der Felsenreitschule zur Wirkung zu bringen, dreht sein Orchester auf, wo es nur gut, zaubert feinste Lyrik herbei und kann sich Wucht leisten, weil sie in dieser “Elektra” in mannigfaltigen Farben daherkommt.
Die Neuinszenierung der Oper von Richard Strauss war das Ereignis des letzten Festspielsommers. Pausenlos und ohne großen Chor konnte das 1909 uraufgeführte Werk, dessen Komponist in der Geschichte der Salzburger Festspiele eine besondere Position einnimmt, in der Saison 2020 angesetzt werden, in der viele europäische Festspielstätten wegen der Pandemie weitgehend leer bleiben mussten. Die Wiederaufnahme erfolgte nun vor vollem und nicht überraschend jubelndem Haus. Aus heutiger Sicht lässt sich in erster Linie bemerken, dass Regisseur Krzysztof Warlikowski einer jener Opernmacher ist, die wieder zum Erzählen zurückfinden. Nachdem sich Romeo Castellucci beim Salzburger “Don Giovanni”, wie berichtet, mit Assoziationen begnügte und interessanterweise auch Olivier Tambosi bei “Nero” in Bregenz beim Andeuten blieb, zeigt diese “Elektra” auch bei der symbolhaften Bebilderung von Malgorzata Szczesniak inhaltliche Stringenz. Ein Wasserbassin, an dessen Rand die Verklärung der Kindheit leicht fällt, Skulpturen wie in einer therapeutischen Familienaufstellung und der Wohnort der Atriden in einem verschlossenen Kubus, in dem es bieder aussieht, während die Gewalt lauert. Klytämnestras Monolog aus der “Orestie” macht deutlich, dass ihr und ihrem Kind Gewalt widerfahren ist, bevor sie sich von Agamemnon befreite, Elektra aber verkraftet den Tod des Vaters nicht, will Rache.
Große Frauenstimmen
Ausrine Stundyte bringt es berührend leidend, mit klischeelosem Zorn zum Ausdruck – ein magischer Moment, wenn die Stimme über dem Orchester liegt. Mit der litauischen Sopranistin Vida Mikneviciute ist die Partie der Chrysothemis neu besetzt. Asmik Grigorian übernimmt erst drei Aufführungen im August, kann bis dorthin ihre Verpflichtung in Bayreuth beruhigt erfüllen, die Kollegin in Salzburg bleibt dem Publikum nichts schuldig. Sie reiht sich nahtlos schön und kraftvoll im Ausdruck neben Tanja Ariane Baumgartner als Klytämnestra in die drei großen Frauenstimmen des Abends. Selbstverständlich hält Christopher Maltman (Orest) auf hohem Niveau mit.

Weitere Aufführungen von “Elektra” vom 31. Juli bis 28. August im Rahmen der Salzburger Festspiele in der Felsenreitschule.