Was digitale Gewalt bewirkt

Die Nachricht
Doris Knecht
Hanser Berlin
254 Seiten
Doris Knecht befasst sich mit dem Einfluss sozialer Medien.
ROMAN Es beginnt mit einer anonymen Nachricht und endet mit vielen offenen Fragen. Die Vorarlberger Schriftstellerin Doris Knecht erzählt in ihrem Buch „Die Nachricht“ von Trauer, Schmetterlingen im Bauch und viel Herzschmerz. Die Protagonistin heißt Ruth Ziegler und ist die Ehefrau eines liebevollen Tischlers. Sie führt ein ganz normales Leben in einer Kleinstadt, hat ein hübsches Holzhaus, eine kleine Wohnung in der Großstadt und eine funktionierende Patchwork-Familie. Mit dem Unfalltod ihres Ehemannes gerät alles aus den Fugen. Als sie plötzlich eine anonyme Nachricht auf Facebook erhält, beginnt Ruth Ziegler alles in Frage zu stellen. Eine unbekannte Person behauptet, dass ihr Ehemann eine Liebesaffäre einging. Auch wenn die Trauer über den Tod tief sitzt, versucht sie weiterzumachen und neue Beziehungen einzugehen. Was sie stört sind die zahlreichen Hassnachrichten, die sie von verschiedenen gefälschten Profilen erreichen. Tag für Tag quält Ruth Ziegler die Frage, wer diese Nachrichten versendet und die Neugier, jede Einzelne zu lesen. Die Autorin Doris Knecht verdeutlicht, wie soziale Medien Grenzen aufbrechen und zu einem Instrument des Hasses werden können. Ob gezielt oder aus individuellen Motiven, die Möglichkeiten andere Menschen online in die Enge zu drängen sind vielfältig. Knecht setzt sich klug mit den Auswirkungen solcher Nachrichten auseinander und lässt die Leser begreifen, wie Gewalt im Netz wirkt. Die Leser werden mit Verunsicherung und der beharrlichen Verfolgung der Familienmutter konfrontiert. Immer deutlicher werden die Spuren, die soziale Netzwerke hinterlassen.
Anonyme Internetgespenster
Das Buch handelt auch von Souveränität und dem Umgang mit neuen Herausforderungen. Genauso spannend sind auch die feministischen Ansätze der Geschichte. Anzügliche Bemerkungen, ungewollte Kommentare und Gespräche über Frauenmorde in Österreich stellen die wichtige Bedeutung dieser Themen in den Mittelpunkt. So wird ein betrunkener Barbesucher, der wildfremde Frauen anspricht, zum Paradebeispiel für das tiefsitzende Problem.
Auf unterhaltsame Art machen Knechts Worte aufmerksam und zeigen, wie vielschichtig die Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern umgesetzt werden sollte. Geschickt wirft sie die Scheinwerfer auf herrschende Vorstellungen und festgefahrene Hierarchien. Sie zeigt, was geschieht, wenn eine Frau ihren gesellschaftlich vorbestimmten Weg verlässt und sich Erwartungen widersetzt. In „Die Nachricht“ schürft Doris Knecht tief und widmet sich auch dem Thema Trauer. Gemeinsam findet die Familie einen Weg, Emotionen Raum zu geben und den Verlust zu verkraften. Ein vielschichtiger Roman, der Emotionen hochkochen lässt und familiäre Strukturen gründlich durchleuchtet. Knecht liefert auch die Antwort auf die Frage, was passiert, wenn anonyme Internetgespenster den Alltag dominieren. mir