Montenegro: Proteste gegen Amtseinführung des neuen Metropoliten

Mehrere hundert Menschen haben Sonntag früh in Montenegro weiter die Zufahrtswege zur historischen Hauptstadt Cetinje blockiert.
Cetinje Im Kloster von Cetinje, der alten montenegrinischen Hauptstadt, ist am Sonntagvormittag inmitten von Protesten die Zeremonie der Amtseinführung des serbisch-orthodoxen Metropoliten Joanikije abgehalten worden. Joanikije und das serbische Kirchenoberhaupt, Patriarch Porfirije, waren wegen Straßenblockaden und Protesten von Gegnern der Inthronisierung im Kloster unter starker Polizeibegleitung im Hubschrauber eingetroffen.

Mehrere serbisch-orthodoxe Würdenträger, die aus dem gut 36 Kilometer entfernten Podgorica nach Cetinje in zwei Bussen unterwegs waren, mussten wegen Straßenblockaden in die Hauptstadt zurückkehren. Der öffentliche TV-Sender RTCG, der zuvor mit der TV-Übertragung der Zeremonie beauftragt worden war, verzichtete bereits im Vorhinein auf die Reise. Dem TV-Team sei keine sichere Versetzung nach Cetinje ermöglicht worden, ließ der Sender wissen.

Die Anhänger der Unabhängigkeit Montenegros bewerten die Zeremonie im Kloster der historischen Hauptstadt als Machtdemonstration des pro-serbischen Lagers. Montenegro war bis 1918 unabhängig und ist es seit 2006 wieder. Rund 30 Prozent der Bürger sind ethnische Serben. Weit mehr Menschen bekennen sich zur serbisch-orthodoxen Kirche. Ihre Spitze residiert in Serbien, sie erkennt die staatliche Identität Montenegros nicht an.

Nach Medienberichten kam es in der Innenstadt von Cetinje zu Zusammenstößen zwischen Polizisten und Demonstranten. Die Polizei setzte dabei Tränengas ein, einige Demonstranten warfen Steine, berichtete das Nachrichtenportal “vjesti.me”. Auch am Samstagabend war es bereits zu einem ähnlichen Zusammenstoß gekommen.

An der wichtigsten Zufahrtsstraße, die von der heutigen Hauptstadt Podgorica nach Cetinje führt, sah ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur (dpa) aufgetürmte Autoreifen, Steinbrocken und einen quergestellten Sattelschlepper. In der vordersten Reihe saßen rund 50 Frauen auf der Straße. Einige der Männer in der Menge hatten Gasmasken gegen Tränengas sowie Stöcke aus Holz oder Metall bei sich.

“Wir sind hier, um uns gegen die Okkupation durch die serbische Kirche zu verteidigen”, sagte der 40-jährige Ivica dem dpa-Reporter. Die Menschen harrten seit Samstagmittag aus und würden nicht weichen, fügte er hinzu. Unter den Demonstranten befanden sich mehrere Funktionäre der bis zum Vorjahr regierenden Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) des Präsidenten Milo Djukanovic und andere Oppositionsparteien. Der Sicherheitsberater des DPS-Chef und fünf weitere Demonstranten wurden festgenommen. Premier Zdravko Krivokapic beschuldigte unterdessen die DPS wegen der Organisation von Protesten. “Alles, was in Cetinje passiert ist, ist ein Versuch von Terroraktionen” ließ Krivokapic auf Twitter wissen.

Zur Zeremonie hat sich auch der Patriarch der serbisch-orthodoxen Kirche, Porfirije, angekündigt. Am Samstagabend hatte er vor tausenden Gläubigen eine Messe in Podgorica zelebriert. Der Gottesdienst war nicht umstritten und verlief ohne Zwischenfälle.

Metropolit Joanikije (1959) wurde im Mai von der serbischen Kirchenversammlung in Belgrad zum Nachfolger des im Vorjahr am Covid-19 verstorbenen Metropoliten Amfilohije bestellt. Die vorjährigen Parlamentswahlen haben zum ersten Mal mehrere Oppositionsparteien, darunter die Demokratische Front, gewonnen, die für ihre engen Kontakte zu Belgrad und der serbisch-orthodoxen Kirche bekannt ist. Die DPS musste zum ersten Mal seit 1991 in die Opposition. Die Amtszeit von Präsident Djukanovic läuft noch bis 2022. APA