Brillante “Salome”-Inszenierung des nächsten Seebühnenregisseurs

Oper als perfekt organisierter Wahnsinn.
Zürich „Das Theater ist ein Irrenhaus – und die Oper die Abteilung für Unheilbare.“ Das Bonmot passt perfekt für die 1905 uraufgeführte „Salome“ von Richard Strauss. Basierend auf Oscar Wildes gleichnamigem Drama, begehrt hier die Titelfigur den am Hof ihres Stiefvaters Herodes gefangengehaltenen jungen Johannes den Täufer, wird von diesem zurückgestoßen und küsst das aus Rache abgeschlagene Haupt des jungen Mannes. Die Anforderungen an die Singdarsteller sind enorm.

Es ist die volle Operndröhnung – aber ohne leer laufende Effekte. Denn vor dem organisierten musiktheatralen Wahnsinn der „Salome“ hat der rund 40-jährige Strauss sein instrumentatorisches Handwerk an etlichen Sinfonischen Dichtungen geschult. In der aktuellen Neuproduktion des Einakters am Opernhaus Zürich macht die nun wieder im Orchestergraben spielende Philharmonia Zürich unter Gastdirigentin Simone Young die Raffinesse der Partitur an der Schwelle zur Moderne hörbar. Das Stimmengeflecht wirkt sauber nachgezeichnet, der sinnlich-sogkräftige Klang angenehm durchlüftet, die Dynamik feinstufig skaliert, und die Höhepunkte geraten eindringlich.

In der Titelrolle singt und spielt Elena Stikhina bravourös. Die junge Russin hat einen bestens ansprechenden und fülligen Sopran mit der Kraft, selbst Hochtöne strahlen zu lassen, und die Stimme zeigt sich auch sehr zugänglich für zarte, weiche Farben. Schauspielerisch schenkt sich Stikhina gar nichts und schafft es so, das Grenzüberschreitende bei dieser Figur packend über die Rampe zu bringen. Kostas Smoriginas ist ein ungemein viriler Jochanaan von markanter Bühnenpräsenz, ausgestattet mit einem resonanzreich strömenden Bassbariton. Wolfgang Ablinger-Sperrhacke ist eine Idealbesetzung für den Herodes und zeichnet diesen mit würzig-heller charaktertenoraler Schärfe und einer beunruhigenden humoristischen Einfärbung als unsicheren, melancholischen, lüstern nach der Stieftocher schielenden Potentaten. Und Michaela Schuster vermag souverän zu zeigen, wie er ferngesteuert wird von seiner Frau Herodias. Stark auch Mauro Peter als unglücklich in Salome verliebter Hauptmann Narraboth.

Wahrhaft brillant geraten ist die Inszenierung von Hausherr Andreas Homoki, (der im kommenden Sommer “Madama Butterfly” auf der Bregenzer Seebühne inszeniert) im gleichfalls ingeniösen Bühnenbild von Hartmut Meyer. Neben einem Steg und einem Mühlrad, die Assoziationen an Geschlechtsteile wecken, gibt es da vor allem zwei stilisierte Mondsicheln, die sich bewegen können. Das ermöglicht nicht bloß lebendige Bezüge zum Mond als prominentem „Mitspieler“ in dieser Oper, sondern erlaubt auch verschiedenartige, oft kreisende Bewegungen der von Mechthild Seipel farbensatt kostümierten Figuren, die einander begehren und hassen. Einfallsreich schildert Homoki eine dekadente Welt im Umbruch. Und vor allem zeichnet er die Figuren mehrdimensional. Jochanaan zum Beispiel: Er kann hier Salomes Avancen nicht mehr widerstehen und hat sogar auch noch eine sexuell aufgeladene Liaison mit Herodias. Torbjörn Bergflödt
Nächste Vorstellungen (ca. 100 Min.) am 15., 18., 24., 30. Sept. Infos bzgl. Corona: www.opernhaus.ch
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