Hier wurde Judith und Holofernes neu übersetzt

Kultur / 20.01.2022 • 22:30 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Hier wurde Judith und Holofernes neu übersetzt
Szene aus “Juditha triumphans” in Stuttgart: Kopf ab ist auch keine Lösung. Oper/Sigmund

Vivaldis “Juditha triumphans” erhält durch die in Bregenz bestens bekannte Silvia Costa besonderes Format.

Stuttgart, Bregenz Mit dem Doppelprojekt „Spiel“ von Samuel Beckett und „Wry smile dry sob“, konzipiert und inszeniert von Silvia Costa, hat das Vorarlberger Landestheater vor wenigen Jahren internationales Interesse auf sich gezogen. Abgesehen davon, dass das Projekt mittlerweile im Le Studio in Wien und im Centre Pompidou in Paris gezeigt wurde, erfuhr es nun auch in Stuttgart als wichtige Inszenierung von Silvia Costa Erwähnung. Die italienische Regisseurin wurde an der dortigen Staatsoper für Antonio Vivaldis “Juditha triumphans” engagiert. Dabei festigte sich der Gedanke, dass die Bregenzer Intendantin Stephanie Gräve dieser Künstlerin wohl auch eine Musiktheaterproduktion anvertrauen würde. Parallelen gibt es ja, “Juditha triumphans” ist als Oratorium konzipiert und mutiert zur Oper, so wie es in Bregenz demnächst mit Georg Friedrich Händels “Jephtha”, inszeniert von Stefan Otteni, passiert. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Siliva Costas zweites Bregenzer Projekt, nämlich die Performance “Ihr seid bereits eingeschifft” ebenfalls großen Nachhall erfuhr.

Silvia Costa mit Rosabel Huguet  bei der Inszenierung von Becketts "Spiel" in Bregenz. <span class="copyright">LT/Köhler</span>
Silvia Costa mit Rosabel Huguet bei der Inszenierung von Becketts "Spiel" in Bregenz. LT/Köhler

Die Italienerin in Österreich stets mit Romeo Castellucci in Verbindung zu bringen, mit dem sie für die gefeierte “Salome” bei den Salzburger Festspielen zusammengearbeitet hat, wäre ohnehin einseitig, in eigenen Inszenierungen liefert sie zudem weit mehr als jene Assoziationshilfen, auf die der Theatermacher zuletzt bei “Don Giovanni” setzte. “Juditha triumphans” ist ein gutes Beispiel dafür. Das Oratorium wurde 1716 als Auftragswerk der Republik Venedig uraufgeführt. Der historische Hintergrund, nämlich der Sieg über die Türken, ist abei weniger interessant als der Ort. Das Ospedale della Pietà, dessen Musikchef Vivaldi war, galt als eine der besten Schulen. In Musik und Gesang unterwiesen wurden hier Mädchen, was der Komponist entsprechend berücksichtigte, was das Werk zum Hörvergnügen macht und dem man in Stuttgart mit dem Engagement von Rachael Wilson (Juditha), Stine Marie Fischer (Holofernes) und Vagaus (Diana Haller) entspricht. Bei so viel Geschmeidigkeit, Kraft und Tempogenauigkeit in allen Partien vergisst man fast, dass es sich bei der alttestamentarischen Geschichte von Judith und Holofernes um eine grausame handelt.

Neu übersetzt

Nachdem die Enthauptung von Holofernes in der bildenden Kunst reichlich Niederschlag fand, darunter auch durch Malerinnen wie Artemisia Gentileschi, verzichtet Silvia Costa auf die Überhöhung dieses Akts. Was in der mit Gamben, Theorben, Bassgeigen und Cembalo aufgestockten Orchesterpartitur ohnehin kaum akzentuiert wird, muss geschehen, wird aber mit dem Verweis auf gestürzte Diktatoren und ein Friedensangebot untermalt und damit neu und durchaus sinnfällig übersetzt. Den Symbolgehalt ihrer Inszenierung, in der auch aus dem Schöpfungsbericht zitiert wird, in dem es heißt, dass die Menschen als Mann und Frau geschaffen wurden, bettet Costa dabei in eine Choreografie, die den Choristinnen ordentlich viel Arbeit verschafft, die sie in traumwandlerischer Kompaktheit erledigen. Kampfhandlungen, das Werden und Vergehen, inklusive Geburtsakt, aber auch die Entscheidung des einzelnen Menschen, der – so wie es die Personenführung von Judith verdeutlicht – nicht im Kollektiv verblasst, erhalten eine Bildsprache, die mehrere Lesarten zulässt, aber nicht verwässert.

Szene aus "Juditha triumphans". <span class="copyright">Oper/Sigmund</span>
Szene aus "Juditha triumphans". Oper/Sigmund

Abgesehen davon, dass bei einer solchen Produktion die musikalische Leitung, hier ist es Benjamin Bayl, einen großen Teil der Verantwortung für die Qualität trägt, endet Silvia Costas bildreiche, farblich in Rot und Weiß reduzierte Inszenierung sehr geerdet. Am Schluss wird zusammengeräumt. Besonders Frauen, die viel geschaffen haben, kennen diesbezüglich keinen Dünkel.

Nächste Aufführung von “Juditha triumphans” von Antonio Vivaldi an der Stuttgarter Staatsoper am 22. Jänner, weitere Termine bis Mitte März.

Szene aus "Ihr seid bereits eingeschifft". <span class="copyright">LT/Köhler</span>
Szene aus "Ihr seid bereits eingeschifft". LT/Köhler