Hier kommt auch die Vernunft auf den Laufsteg

Kultur / 26.01.2022 • 19:14 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Hanna Eichel, Dominik Puhl und Maelle Giovanetti in „Das Licht im Kasten“ von Elfriede Jelinek in Konstanz. theater/mess
Hanna Eichel, Dominik Puhl und Maelle Giovanetti in „Das Licht im Kasten“ von Elfriede Jelinek in Konstanz. theater/mess

„Das Licht im Kasten“ von Elfriede Jelinek gibt es jetzt auch gleich ums Eck.

Konstanz Ein spontan gedachtes Oje verändert sich an einem Theaterabend nicht oft in ein Aha, passt doch. Mitunter darf man aber erfreut zur Kenntnis nehmen, dass genau das geschieht. So wie bei der Aufführung des Stücks „Das Licht im Kasten“ nach einem Text der österreichischen Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek im Theater Konstanz, deren Intro – ein gespreizter Catwalk-Auftritt – nur kurz eine Trivialisierung des Inhalts vortäuscht. Dass Jelinek, auf deren Stück über Mode, Politik und Philosophie nach dem Schauspielhaus in Düsseldorf vor allem die deutschen Bühnen gerne zugriffen, keine Theatertexte im eigentlichen Sinn schreibt, ist so hinlänglich bekannt, wie die Tatsache, dass der Handlungsspielraum von Dramaturginnen und Dramaturgen, die darin gerne herumwühlen sowie von Regisseurinnen und Regisseuren recht umfangreich ist.

Wer im Grazer Schauspielhaus, das das Werk im Vorjahr auf eine große österreichische Bühne holte, wo es auch immer noch auf dem Spielplan steht, fast das halbe Ensemble auf dem Podium sah, erlebt nun im von uns aus näher gelegenen Konstanz, wo man hingegen mit drei Personen auskommt, dasselbe Stück. „Das Licht im Kasten“ enthält zwar Themen, die man mittlerweile in jeder Ausstellung antrifft, die in Oberschulen zu Konsumverhalten, Öko-Bewusstsein, Ausbeutung von Textilarbeiterinnen, Warenverkehr und giftigen Substanzen bei Baumwollanbau und Stoffverarbeitung gestaltet werden, einfach verfährt es aber nicht mit dem Leid und deren Verursachern.

Der alte Kant

Kant namentlich zu erwähnen, erspart längst das Zitieren einer seiner wesentlichen Aussagen, dass vieles schief läuft, dass uns die Vernunft ein anderes Verhalten gebieten würde oder dass uns ein neues Kleidungsstück halt doch nicht zu jener Person macht, die wir gerne sein wollen, wäre als Erkenntnisgewinn aus dem Text etwas dünn. Das weiß die Autorin sowieso und das beweist auch Susanne Schmelcher mit einer Inszenierung, die nicht mit Assoziationshilfen arbeitet, sondern mit einem lebendigen Agieren ihres Trios, das die Sätze unaufgesetzt hinausschleudert und die Manieriertheit umgeht, die in jedem Absatz lauert. Dabei ist das Setting von Marion Hauer nicht einmal besonders überraschend. Ein Karussell an Umkleidekabinen mit Glory, Vanity, Pain, Money, Hope, Beauty oder Death zu übertiteln und dann auch noch den Schriftzug Eternity aufleuchten zu lassen, könnte platt wirken, tut es aber nicht. Warum? Weil Hanna Eichel, Maelle Giovanetti und Dominik Puhl immer wieder spontan aus ihren Aufsager- und Einsagerrollen aussteigen und als Menschen aus Fleisch und Blut vor uns stehen und somit auch das Spiel selbst thematisieren.

Dass unser Leben kürzer ist als das von manchem Kleidungsstück, mag als Tatsache in der gegenwärtigen Fast-Fashion-Kultur, in der ein T-Shirt kaum öfter als ein Mal getragen wird, verblasst sein, sie ändert daran aber nichts. Die Conclusio ist somit nicht neu, der Weg dorthin ist aber ein spannender, farbenreicher Theaterabend.

Marion Hauer hat die Ausstattung entworfen, Susanne Schmelcher hat inszeniert.

Marion Hauer hat die Ausstattung entworfen, Susanne Schmelcher hat inszeniert.

Nächste Aufführung von “Das Licht im Kasten” am 27. und 29. Jänner und weitere im Februar im Theater Konstanz. Coronabestimmungen: theaterkonstanz.de