Tücken einer Kunstrückgabe

Kultur / 28.01.2022 • 20:29 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Das Bildnis „Rosen unter Bäumen“ von Gustav Klimt befindet sich im Musée d‘Orsay in Paris, stammt aus jüdischem Besitz und wird restituiert. klimt-werkverzeichnis
Das Bildnis „Rosen unter Bäumen“ von Gustav Klimt befindet sich im Musée d‘Orsay in Paris, stammt aus jüdischem Besitz und wird restituiert. klimt-werkverzeichnis

Tobias G. Natter kennt die Klimt-Bilder, um die sich eine starke Geschichte rankt.

Wien, Paris, Bregenz Zurzeit überprüft Tobias G. Natter gerade die Provenienz eines Werkes von Egon Schiele. Es ist ein besonders wertvolles Porträt seiner Frau, soll jüdische Vorbesitzer haben und macht im Zuge der Restitutionsthematik nun in New York Schlagzeilen. Ein schon älteres der Gutachten des in Wien ansässigen Vorarlberger Kunstexperten ist nun wieder ein Thema und berührt die Rückgabe von Kunstwerken, die in der Nazizeit enteignet oder gestohlen wurden, in besonderem Maß.

Die Französische Nationalversammlung hat jüngst die Rückgabe von einigen unter den Nationalsozialisten geraubten Werken an die rechtmäßigen jüdischen Erben beschlossen. Darunter befindet sich auch das mit “Rosen unter Bäumen” betitelte Bild von Gustav Klimt (1862-1918). Laut Natter handelt es sich bei diesem Werk um jenes, das der Österreicherin Nora Stiasny gehörte, die es 1938 “für wenig Geld” verkaufen musste, um fliehen zu können. Der Ertrag hatte ihr die Flucht nicht ermöglicht, die Nazis deportierten die Jüdin in ein Konzentrationslager, wo sie ermordet wurde. An ihre Erben hatte die Republik Österreich bereits vor einigen Jahren ein Werk namens “Apfelbaum II.” restituiert. Nachdem Zweifel auftraten, ob es sich dabei wirklich um das Klimt-Bild aus dem Stiasny-Besitz handelt, wurde Tobias G. Natter mit einer Expertise beauftragt. Er hatte zuvor das umfangreiche Klimt-Werk-Verzeichnis im Verlag Taschen herausgebracht und dafür bereits zahlreiche Dokumente und Fotos sowie Kommentare zu Klimt-Gemälden gesichtet und gesammelt. Eine besondere Herausforderung stellte sich ihm durch den Umstand, dass einige Arbeiten von Klimt verschollen sind und dass der Maler die Titel seiner Bilder mitunter auch selbst geändert hatte. Eine Textstelle der Kritikerin Berta Zuckerkandl brachte ihn auf die Spur, die von Rosen unter dem “Apfelbaum” schreibt.

Tragisch und komplex

Es ist angesichts der Ereignisse um Kunstraub, Enteignung und Ermordung sowie des jeweils oft Jahrzehnte dauernden Kampfes um die Rückgabe des Besitzes an die Erben Ermordeter ein besonders tragisches Thema, aber Österreich hatte die Restitution des Klimt-Bildes fälschlicherweise durchgeführt, während es sich beim Pariser Klimt-Werk um Raubkunst handelt. Die Komplexität des Themas erhöht sich noch, wenn Tobias G. Natter erzählt, dass das aus Österreich restituierte “Apfelbaum”-Gemälde von Klimt vor wenigen Jahren einmal einen Tag in Wien war. Und zwar als Leihgabe im Leopoldmuseum. Dort sei das Werk, um das sich eine besondere Geschichte rankt, von Experten unter den Besuchern erkannt und sodann aus der Ausstellung entfernt worden.

„Das Klimt-Bild, das aus Österreich fälschlicherweise restitutiert wurde, war sogar einmal einen Tag lang in Wien.“