„Konkurrenzdenken ist völlig sinnlos“

Kultur / 12.03.2022 • 15:45 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
„Konkurrenzdenken ist völlig sinnlos“
Bianca Riesner: „Das Besondere am SOV ist die Begeisterungsfähigkeit und die Freundschaftlichkeit, mit der musiziert wird.“ victor marin

Die Musikerin Bianca Riesner hat bereits eine beachtliche Karriere hingelegt und wirkt in „Jephtha“ mit.

Dornbirn Die Cellistin und Gambistin Bianca Riesner, geb. 1984 in Bregenz, hat sich sowohl als moderne als auch als Barockmusikerin profiliert. Nach ihren Studien am Landeskonservatorium und an der Hochschule der Künste in Zürich absolvierte sie an der Royal Academy of Music in London ein Masterstudium mit Auszeichnung. Seit 2009 ist sie Mitglied beim Symphonieorchester Vorarlberg, spielt auch beim ORF-Radiosymphonieorchester oder dem Philharmonia Orchestra in London und hat schon bei den bedeutendsten Originalklangensembles mitgewirkt.
 
Wie sind Sie zum Cello gekommen?
Riesner In meiner Familie haben alle ein Instrument gespielt. Ich war erst vier, als ich unseren Nachbarsbuben bei einem Musikschulkonzert wunderschön Cello spielen gehört habe. An Weihnachten bin ich heftig in Tränen ausgebrochen: „Alle spielen was, außer mir.“ Mit fünf durfte ich dann bei Ingrid Lins-Ellensohn mit Cello anfangen.
 
Was für ein Instrument spielen Sie?
Riesner Mein Lehrer Jonathan Manson hat bei einer Versteigerung bei Sotheby’s für jemanden Celli ausprobiert und mich mitgenommen, damit er den Klang auch von außen hören kann. Ein Cello von John Betts aus dem Jahr 1800 hat mich so fasziniert, dass ich meine ganzen Ersparnisse dafür geboten habe. Und seit ich auch ein wunderbares modernes Cello habe, bin ich rundum zufrieden.
 
Und wie war das mit der Gambe?
Riesner Als ich zum Studium nach London ging, dachte ich, es ginge nur um das Barockcello. Jonathan Manson, selbst ein exzellenter Gambist, ermutigte mich aber, die Gambe, die ich bis dahin eigentlich nur aus Spaß im Consort der Royal Academy of Music spielte, in den Unterricht mitzubringen. Bei der Gambe war ich ganz entspannt, nach fünf Monaten habe ich schon in Konzerten mitgespielt.
 
Sie haben eine beeindruckende Reihe von Engagements in den renommiertesten Originalklangensembles aufzuweisen. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?
Riesner Die wichtigste Erfahrung für mich war, mich komplett in die Musik zu stürzen. In England gibt es weit weniger Proben, man macht z. B. die Neunte Beethoven mit zwei Proben, das geht nur mit völliger Hingabe und Konzentration auf den Moment. Es gibt dort so unglaublich viele tolle Leute, dass Konkurrenzdenken völlig sinnlos ist. Ich war im Barockbereich ziemlich unerfahren und bin sehr offen aufgenommen worden. Nach sechs Wochen Studium habe ich ein Probespiel für das Orchestra of the Age of Enlightenment gewonnen, so wurde die Alte-Musik-Szene auf mich aufmerksam.
 
2016/17 wurden Sie für die Monteverdi-Orchesterakademie ausgewählt. Was haben Sie da gelernt?
Riesner Ich hatte persönliche Coachings mit Sir John Eliot Gardiner und den Stimmführern und Konzertmeistern seiner beiden Orchester, in denen ich viel über Stilistik und historische Spieltechniken gelernt habe. Ein Jahr lang war ich bei den Proben und Tourneen dabei.
 
Welche Dirigenten haben Sie am meisten beeindruckt?
Riesner Damals im Konservatoriumsorchester war es Sebastian Tewinkel. Ich war Stimmführerin der Celli und lernte, wie frei man mit gegenseitigem Vertrauen musizieren kann. Auch die Arbeit mit John Eliot Gardiner war unglaublich prägend, er ist ein sehr großer Charakter, der komplett in der Musik aufgeht und seine Musikerinnen und Musiker mitreißt. Mit Simon Rattle und dem Orchestra of the Age of Enlightenment war es ganz anders, er hat gesagt: „Die Spezialisten seid ihr“ und leitete überraschend zurückhaltend. Gérard Korsten bringt seine volle Energie ein und verlangt das auch vom Orchester.
 
Wie sehen Sie das Verhältnis von Unterrichten und Orchesterengagements?
Riesner Die kontinuierliche Arbeit mit meinen Schülerinnen und Schülern an der Musikschule Dornbirn ist sehr wertvoll, weil sie einen wichtigen Gegenpol zur kurzfristigen und häufig wechselnden freischaffenden Arbeit darstellt.
 
Sie sind Mitbegründerin der IG Freie Musikschaffende. Welche Anliegen vertreten Sie?
Riesner Es geht um die Sichtbarmachung des großen Anteils, den Freischaffende am Musikleben in Österreich haben, insbesondere um Fair Pay. Das Ministerium hat gerade einen Prozess gestartet, in den unsere Empfehlungen einfließen, um erstmals Honorarrichtlinien auszuarbeiten, die es in Deutschland und der Schweiz schon lange gibt.
 
Sie machen auch Kammermusik.
Riesner Orchesterarbeit war in der Pandemie besonders schwierig, da haben wir das Quartetto Abbraccio gegründet. Die wöchentlichen Proben mit Ingrid Loacker, Susanne Mattle und Michael Köck haben mich durch diese Zeit getragen. Gleichzeitig entstand mit Heidrun Wirth-Metzler und Angelika und Martin Gallez der Wunsch, eine Kammermusikreihe im Bregenzerwald zu starten und mit der alten Handwerkskultur zu verbinden. So ist die Reihe „Klang & Raum“ entstanden. Im Bregenzerwald habe ich auch eine große Verwandtschaft, das ist mir sehr wichtig.
 
Wie gestaltet sich die Arbeit an Händels „Jephtha“?
Riesner Besonders toll finde ich, dass wir mit dem Dirigenten Heinz Ferlesch einen Experten auf dem Gebiet des Originalklangs bei uns haben, der auch den Konzertmeister Martin Jopp mitgebracht hat. Die Übertragung von Ferleschs Ideen auf das SOV funktioniert sehr direkt und organisch. Wir haben eine gemeinsame Klangsprache gefunden.
 
Was ist das Besondere am SOV?
Riesner Die Begeisterungsfähigkeit und die Freundschaftlichkeit, mit der musiziert wird. Es war mein erstes professionelles Engagement, ich habe dort sehr viel gelernt. Ulrike Längle

13. März, Landestheater, Bregenz, Premiere „Jephtha“ mit dem SOV; 24. März, Theater Kosmos: Dostojewsij-Lesung mit Musik; 3. April, Hittisau: „Klang&Raum“ .

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