Eine vielfältige Künstlerpersönlichkeit

Kultur / 01.04.2022 • 22:00 Uhr / 7 Minuten Lesezeit
Eine vielfältige Künstlerpersönlichkeit
Rudi Spring ist in mehreren hundert Werken fast aller Gattungen seinem Stil treu geblieben und schuf ein umfassend farbiges Œuvre. Spring

Das Schaffen des gebürtigen Lindauer Musikers und Komponisten ist eng mit Vorarlberg verknüpft.

MÜNCHEN Er gehört zu den interessantesten deutschen Komponisten der Gegenwart. Rudi Spring ist in mehreren hundert Werken fast aller Gattungen seinem Stil treu geblieben und schuf ein umfassend farbiges Œuvre. Für ihn gehören die schöpferische Tätigkeit als Komponist, die ausübende als Pianist und die vermittelnde als Hochschullehrer und Dirigent untrennbar zusammen, durchdringen und befruchten sich wechselseitig. Eben wurde zu seinem 60. Geburtstag in München eine Biografie mit Werkschau präsentiert.

Sie sind zwar in Lindau geboren, Vorarlberg und dessen Musikszene haben aber vor allem am Beginn Ihrer musikalischen Laufbahn eine wichtige Rolle gespielt.

Ich wohnte mit meinen Eltern im Stadtteil Aeschach. Dort war der aus Vorarlberg stammende Günther Fetz Organist an der Katholischen Kirche. Ab Herbst 1975 beschloss ich, bei ihm in Bregenz Orgelunterricht zu nehmen.

Sie haben sich gerade an der Orgel schon damals als genialer Improvisator hervorgetan.

Das Improvisieren war mir jedenfalls in meiner Jugendzeit deutlich näher und wichtiger als das Üben. Heute ist es extrem umgekehrt.

Entscheidend war dann wohl, dass Sie als 14-Jähriger ab 1976 am Konservatorium Bregenz vom damaligen Direktor Aldo Kremmel in Klavier unterrichtet wurden.

Ja, mein prägender Lindauer Lehrer Alfred Kuppelmayer, der mich in Klavier, Musikgeschichte, Analyse, Tonsatz und Komposition unterrichtet hat, meinte, dass er mir am Klavier nichts mehr beibringen könne und schickte mich direkt zu Aldo Kremmel.

Das Konservatorium Bregenz war ja ein Politikum um den Standort zwischen dem Bregenzer Bürgermeister Mayer und Landeshauptmann Keßler.  Wie haben Sie das als Student dieser Einrichtung empfunden?

Ehrlich gesagt habe ich davon meist nur indirekt Kenntnis genommen. Nie zuvor und nie mehr danach habe ich in meinem Leben derart viele Telegramme bekommen, immer aus Bregenz, immer von Aldo Kremmel, immer mit dem Text “Klavierstunde muss leider entfallen.” Immer aus demselben Grund. Weil es wieder mal politisch brannte und er zu einer Dringlichkeitssitzung gerufen wurde.

Lehrer und Schüler kreierten damals eine Art „himmelsstürmende Aufbruchsstimmung“, wie das der Klarinettist Wolfgang Steger in Ihrer Biografie beschreibt. Haben Sie das auch so empfunden?

Ja.

Damals sind auch Ihre ersten Kompositionen entstanden, noch in einer frühen Rock-Pop-Phase und angesiedelt zwischen Bach und Beatles in einer doch etwas gewagten Mischung.

Es mag angeberisch klingen, aber die Integration der Pop- und Rockmusik war schon eine der späteren Phasen und die, welche die Beziehung zu meinem Lehrer Alfred Kuppelmayer an den Rand des Abbruchs manövriert hat. Komponiert habe ich seit meinem sechsten Lebensjahr, immer in Stilkopien, aber durchaus mit Ausdrucksbedürfnis unterwegs. Mit 14 war ich am Grat Freitonalität/Atonalität angelangt, mit einer Passacaglia für Klarinette und Klavier. Da war der Einbruch der Rock- und Popmusik wirklich der radikalste denkbare Einschnitt.

Sie haben dort auch so prominente Lehrer wie Alois Brandhofer und Heinrich Schiff kennengelernt, später mit ihnen musiziert und für sie komponiert.

Für den charismatischen Violoncellisten Heinrich Schiff, gut zehn Jahre älter als ich, entstand auf seine ausdrückliche Aufforderung hin 1979 das erste heute noch “zählende” Werk, die damals dreisätzige „Sonatine für Violoncello und Klavier“, Opus 1. Darauf wird in besagtem Buch auch ausführlich eingegangen. Wir haben die Urfassung im Sommer 1980 in Linz zusammen uraufgeführt, samt ORF-Mitschnitt.

Später, als bereits etablierter Komponist, sind Sie Vorarlberg treu geblieben. Auch mit dem ORF Dornbirn verband Sie durch den dortigen Musikredakteur Alfred Solder eine enge Zusammenarbeit. Es entstanden zahlreiche Studioproduktionen und Auftragswerke.

Einen meiner ersten Aufträge erhielt ich 1982 vom ORF-Studio Dornbirn, allerdings ohne Honorar, also ein Ehrenauftrag zum zehnjährigen Bestehen des Funkhauses. Es sollte ein Werk für das Vorarlberger Kammerorchester und seinen Dirigenten Christoph Eberle werden.

Das waren Ihre „Fantasien nach einer alten Irischen Weise“, die vielen Ihrer Fans bis heute im Ohr geblieben sind.

Genau. Ich komponierte das Stück in einer Hütte an einem See in Südnorwegen, wo ich mit zwei Freunden die Ferien verbrachte. Die Uraufführung erfolgte im Oktober in der vorgesehenen Besetzung. Im Laufe der 1980er-Jahre nahm dann das SOV wiederum mit Christoph Eberle als Chefdirigent Gestalt an. Ich revidierte das Werk für die große Streicherbesetzung, und so wurde es 1989 erneut aufgeführt und vom ORF auch als Studioproduktion realisiert.

2004 kam es dann zu einem “echten” Auftrag aus Vorarlberg.

Der von der Landesbibliothek engagierte Beauftragte einigte sich zum 100-jährigen Bestehen des Hauses mit mir auf die Besetzung zwei Singstimmen und sieben Instrumentalisten. Das Ensemble Plus wurde engagiert, und ich dirigierte die Uraufführung sowie die ORF-Produktion der gut 20-minütigen, dreisätzigen Kantate „Der Geist weht, wo er will“, op. 80. Dieses Motto war Vorgabe der Bibliothek, die Textauswahl blieb ganz mir überlassen.

All diese Kompositionen zeichnen sich durch eine besondere Eigenschaft aus: Sie haben, wie Wolfgang Steger schreibt, „auf die großen Fragen der Musikgeschichte der vergangenen 120 Jahre nach Ende der tonalen Epoche eigenständige Antworten gefunden. Seine Musik braucht offene, aufmerksame Hörer, um all ihren Facettenreichtum zu erschließen, lässt sich aber gleichzeitig sehr unmittelbar erleben.“  

Das freut mich. Möge es so sein.

Wenn man Ihre Zeitgenossen über Rudi Spring befragt, kommt neben Ihrer kompositorischen Begabung auch immer Ihre besondere Art von Humor ins Spiel, nie verletzend, aber stets von intellektuellem Sprachwitz geprägt. Für Sie so eine Art Lebenselixier?

Durchaus.

Fritz Jurmann

<em> </em></strong><strong><em>ZUR PERSON</strong>

RUDI SPRING

GEBOREN 1963 in Lindau, lebt in München

AUSBILDUNG ab dem elften Lebensjahr Unterricht in Klavier, Analyse und Komposition, ab 14 am Konservatorium Bregenz

TÄTIGKEIT seit frühester Jugend intensive kompositorische Tätigkeit für Chor, Orchester, Kammermusik, Lieder, Popularmusik; seit 1999 Lehrauftrag an der Musikhochschule München  

AUSZEICHNUNGEN Internationaler Bodensee-Kulturpreis, Kulturpreis der Stadt Lindau, Feldkircher Kulturpreis

FAMILIE verheiratet, zwei Söhne

Rudi Spring – Komponist, Pianist, Pädagoge; Biografie und Werkschau, Herausgeber Bernd Oberdorfer, Kilian Sprau und Wolfgang Steger, 320 Seiten, Allitera-Verlag München