Theatermacher, die etwas ausrichten können

Kultur / 06.04.2022 • 08:30 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Theatermacher, die etwas ausrichten können
Mitwirkende am neuen Projekt sind Babett Arens, Tamara Stern, Michaela Bilgeri, David Kopp, Zeynep Alan und Luzian Hirzel sowie Musikerinnen und Musiker. Aktionstheater/Rosa Lut

Das Aktionstheater hat das aktuelle Projekt neu konzipiert und thematisiert den Krieg.

Bregenz, Wien “Schnelligkeit ist keine Qualität”, schickt Martin Gruber voraus, doch für ihn und sein Ensemble, das seit Jahren gesellschaftspolitisch relevante Themen behandelt, stand Ende Februar fest, dass es keine Alternative gibt. Jener Stücktext, der im Rahmen der Koproduktion des Aktionstheaters mit dem Festival Bregenzer Frühling und dem Vorarlberger Landestheater im Mai zur Uraufführung kommen sollte, wurde beiseite gelegt und ein neuer konzipiert. “Ich kann gar nicht anders als auf die Situation, die uns alle bewegt zu reagieren”, erläutert der Vorarlberger Theaterleiter, Regisseur und Autor im Gespräch mit den VN.

Die zurzeit noch in Wien stattfindenden Proben sind für alle Mitwirkenden eine enorme Herausforderung. Wenn am Abend die Nachrichtensendungen über den Krieg Russlands gegen die Ukraine laufen, stelle sich jedem die Frage, inwieweit Kunst etwas ausrichten kann. Gruber: “Kunst ist kein moralischer Vortrag, Kunst zeigt uns Ebenen auf, die wir an uns vielleicht gar nicht kennen. Kunst ist ein Angebot an die Zeit, das war schon früher so. Die Frage, wo und wer ich bin, ist eine Grundfrage in der Kunst, durch die sie auf eine andere Ebene transferiert wird.”

Erlebe Oper als Anachronismus

In der momentanen Debatte über die Positionierung von Künstlerinnen und Künstlern gegen den Krieg, zum Fall Anna Netrebko bzw. zur Ausladung von Künstlern, die dem Putin-Regime nahe stehen in Europa und den USA bezieht Martin Gruber klar Stellung. “Wenn wir über eine bestimmte Sängerin sprechen, dann muss ich schon sagen, dass ich die Opernwelt als Anachronismus erlebe. Zu sagen, wir machen schöne Kunst und interessieren uns nicht für die Politik, da tu ich mir schwer. Wenn ich mich absentiere, dann wird Kunst zur reinen Dekoration.”

Martin Gruber: Gruber: "Schnelligkeit ist keine Qualität, aber wir mussten nun ein neues Stück konzipieren." <span class="copyright">VN</span>
Martin Gruber: Gruber: "Schnelligkeit ist keine Qualität, aber wir mussten nun ein neues Stück konzipieren." VN

„Wir sind mit Pazifismus aufgewachsen und erleben nun die Renaissance des Militarismus.“

Martin Gruber, Theaterleiter, Regisseur, Autor

Vor acht Jahren hat das Aktionstheater das Stück “Pension Europa” im Rahmen des Bregenzer Frühling realisiert. Obwohl diverse Bedrohungen auch damals wahrgenommen wurden, war das die Softvariante zur aktuellen Situation, die nun in “Lüg mich an und spiel mit mir. Pension Europa 02″ thematisiert wird. Das Bewusstsein, dass die Welt nicht mehr dieselbe ist, die Überforderung, die sich daraus ergibt, dass die Pandemie noch nicht überwunden ist, dass es im Jahr 2022 einen Krieg gibt, dass wir uns in einer Klimakrise befinden und dass vieles verdrängt wird, ist das, was Gruber bei der Texterstellung beschäftigte. „Wir sind mit Pazifismus aufgewachsen und erleben nun die Renaissance des Militarismus”. Gruber fragt sich auch, was für eine Haltung dahintersteckt, wenn das, was wir als Qualität empfunden haben, nämlich eine Vielfalt in der Gesellschaft, nun nicht mehr gilt. “Ich fürchte, dass eine Machokultur auf uns hereinwirkt.”

Uraufführung “Lüg mich an und spiel mit mir. Pension Europa 02”, 18. Mai, Landestheater, Bregenz, weitere Termine bis 25. Mai.