Frenetischer Applaus für Vorarlberger Orchester

Kultur / 29.04.2022 • 20:30 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Frenetischer Applaus für Vorarlberger Orchester
Das Ensemble Concerto Stella Matutina unter der Leitung von Thomas Platzgummer. Todorovic

Concerto Stella Matutina ist zu leuchtendem Gestirn am Klassikerhimmel geworden.

Götzis In seiner „Ästhetik der Tonkunst“ von 1806 charakterisiert Beethovens Zeitgenosse Friedrich Daniel Schubart die Tonart c-Moll so: „Liebeserklärung und zugleich Klage der unglücklichen Liebe.“ Concerto Stella Matutina bescherte seinem Publikum im Rahmen des aktuellen Konzertprojekts ein reines Beethoven-Programm ganz in dieser Tonart: Die Coriolan-Ouverture, das dritte Klavierkonzert und die 5. Symphonie.

Einige im Publikum hatten sicher noch die wuchtige Interpretation dieser Ouverture mit dem SOV und Kolja Blacher von Anfang April im Ohr. Mit den rund 35 Musikerinnen und Musikern von Concerto Stella auf ihren historischen Instrumenten war der Klangeindruck ein ganz anderer: Ebenfalls hochkonzentriert und spannungsreich gespielt, aber viel weniger monolithisch, sondern durchsichtig und beweglich. Man hörte eher Trauer und Klage als die Unerbittlichkeit von Coriolans Schicksal. Auch die Liebe zum Vaterland kann unglücklich machen.

Solistin Petra Somlai. <span class="copyright">Todorovic</span>
Solistin Petra Somlai. Todorovic

Wirklich als Ouverture fungierte dieses Stück, weil der Dirigent Thomas Platzgummer es nahtlos in Beethovens drittes Klavierkonzert übergehen ließ. Die ungarische Solistin Petra Somlai, international gefragte Spezialistin für das Hammerklavier, setzte sich erst während der Exposition an ihr Instrument. Wenn der erste Griff in die Tasten noch etwas zögernd wirkte, die Balance am Anfang noch etwas zu orchesterlastig war, entwickelte sich in der Folge ein fein abgestimmtes Wechselspiel mit dem Orchester, mit kontrastreichem Spiel im ersten Satz, einem schmerzlich-schönen Largo mit wunderschönen Holzbläsern und einem tänzerischen Rondo mit geradezu übermütigem Schluss. Somlai bringt das Hammerklavier zum Singen, gestaltet jede Phrase plastisch, greift manchmal entschieden in die Tasten, verliert sich dann wieder in traumverlorenen Passagen. Diese farbige und fein abgestimmte Interpretation begeisterte das Publikum zu Recht.

Experiment geglückt

Groß war die Spannung, die altbekannte Schicksalssymphonie zum ersten Mal in Vorarlberg auf historischen Instrumenten zu hören, zumal auch hier das SOV mit Gerard Korsten erst im Februar eine überzeugende Interpretation geboten hatte. Das Experiment ist mehr als geglückt: Platzgummer wählte flüssige, aber nicht hastige Tempi, das Orchester agierte mit sichtlicher Leidenschaft, von den unter Konzertmeister David Drabek sehr homogen spielenden Streichern über die zuverlässig schmetternden Hörner, die farbigen Holzbläser und die martialischen Trompeten bis zu den differenziert klingenden Pauken. Zum Höhepunkt wurde der Schluss: Die drei Posaunen, die Piccoloflöte und das riesige Kontrafagott betraten erst während des Spiels die Bühne, die Hörner und Trompeten standen auf, sodass sich ein Kranz stehender Musiker um das Orchester bildete.

Im prachtvoll mitreißenden Fanfarenjubel des Schlusses wähnte man fast Napoleon, den Weltgeist zu Pferde, durch den Saal sprengen – obwohl Beethoven ihm damals schon abgeschworen hatte. Mit dieser Interpretation der Schicksalssymphonie sind die barocken Morgensterne zu leuchtenden Gestirnen am Klassikhimmel geworden. Frenetischer Applaus. Ulrike Längle

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