Sympathien für Musik aus dem Norden

Nürnberger Symphoniker führten die Meisterkonzertreihe im zweiten Teil zum guten Ende.
Bregenz Die Programmidee war attraktiv: Musik aus dem Norden, mit einem finnischen Dirigenten und mit dem Schweden Kurt Atterberg auch mit einem Komponisten, der hierzulande kaum bekannt ist. Doch ganz konnte sich das letzte Meisterkonzert nicht mit dem in dieser Reihe gewohnten Niveau und Glanz messen.
Am schwächsten geriet gleich zu Beginn die Tondichtung „Pohjolas Tochter“ von Jean Sibelius, in der er eine Episode aus dem finnischen Nationalepos „Kalevala“ verarbeitet. Der Beginn klang verheißungsvoll: Über einem tiefen gehaltenen Ton schwang sich das Solo-Cello zu einer dunklen Melodiephrase auf. Fabelhaft der Solo-Hornist mit seinem Einsatz im Piano und dennoch mit samtigem, blühendem Ton. Doch insgesamt wirkte das Orchester, die Nürnberger Symphoniker, seltsam starr und unbeteiligt. Sibelius arbeitet mit Klangkontrasten. So setzt er etwa mit der Harfe, mit Streichertremoli oder mit gestopften Hörnern Farbakzente, schnelle, aufgeregte Passagen wechseln sich mit wuchtigen Bläserchorälen ab, der Schluss verhaucht wieder im Geheimnisvollen. Ari Rasilainen, der bis 2021 als Chefdirirgent der Südwestdeutschen Kammerphilharmonie Konstanz tätig war, gelang es nicht, aus der Summe etwas disparater Einzelteile ein Ganzes zu formen.
Raphaela Gromes
Mit der jungen, mehrfach ausgezeichneten Cellistin Raphaela Gromes änderte sich die Stimmung: Auf ihrem Vuillaume-Cello von 1855 spielte sie Tschaikowskis Variationen über ein Rokoko-Thema mit großem Eifer, virtuos und differenziert, vom Orchester umsichtig begleitet. Sympathisch ihre Geste, die Zugabe, den „Abendsegen“ aus Humperdincks „Hänsel und Gretel“ in einer Bearbeitung ihres Klavierpartners Julian Riem für Celloquartett und Solocello, als Gebet für den Frieden anzukündigen.
Überzeugend
Das unbekannteste Werk des Abends war die 1914/1916 komponierte dritte Symphonie von Kurt Atterberg mit dem Titel „Bilder der Westküste“. Keine Symphonie im üblichen Sinn, sondern ein Tongemälde in drei Sätzen. Atterberg komponiert farbig und kontrastreich, in üppiger, spätromantischer Manier, mit groß besetztem Orchesterapparat, viel Schlagwerk, Harfe und Celesta. „Sonnendunst“ klingt wie ein stimmungsvolles, feines Naturgemälde, in “Sturm“ steigert sich das Orchester zu geradezu filmmusikartiger Plakativität, in „Sommernacht“ (wieder mit fantastischen Hornsoli), entfaltet sich ein stimmungsvolles Gemälde, in dem man Vogelstimmen zu hören meint. Atterbergs Tongemälde ist vielleicht keine Komposition auf der Höhe der Zeit, aber ein dankbares Werk für Publikum und Orchester, denn alle Instrumentalgruppen haben ihre Soli, die auch alle sehr schön ausgeführt wurden. Rasilainen, der diese Symphonie mit dem NDR-Symphonieorchester auf CD eingespielt hat, war hier in seinem Element: Mit fast tänzerischen Bewegungen koordinierte er die Stimmgruppen, setzte Akzente und gelangte insgesamt zu einer überzeugenden Interpretation. Mit der Zugabe, dem schwungvollen letzten Satz „Alla marcia“ aus der Karelia-Suite von Sibelius, gewann er noch mehr Sympathien für die Musik aus dem Norden.
