Vom Vorarlberger Pfarrer, der sein Amt niederlegte

Kultur / 04.05.2022 • 16:00 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Ronald Waibel war Pfarrer in Dornbirn-Haselstauden, in Egg und an anderen Orten, hat sein Amt niedergelegt und erzählt seine Geschichte in der neuen Produktion des Theaters Kosmos. <span class="copyright">VN/Hartinger</span>
Ronald Waibel war Pfarrer in Dornbirn-Haselstauden, in Egg und an anderen Orten, hat sein Amt niedergelegt und erzählt seine Geschichte in der neuen Produktion des Theaters Kosmos. VN/Hartinger

In der grandiosen Uraufführung “Don Quijote – ein Stück (weg) von der Wahrheit” treten auch Menschen aus Vorarlberg mit ihren Biografien auf.

Bregenz Es ist nahezu zehn Jahre her, dass Ronald Waibel, Pfarrer in Dornbirn-Haselstauden und zuvor über 20 Jahre lang in anderen Orten, darunter Egg, sein Amt niederlegte.

Der Grund war nicht jener, der öfter vorkommt, nämlich eine Freundin, mit der ein Seelsorger ohne Heimlichkeit zusammenleben will, Ronald Waibel wollte zwar Katholik sein, aber nicht mehr Repräsentant einer römischen Amtskirche, die, wie er schon damals bemerkte, nicht der Botschaft Jesu entspricht und die selbst ein Gespräch mit der Pfarrerinitiative verweigerte. „Ich habe die richtige Entscheidung getroffen“, fügt er heute hinzu. Seelsorger ist er geblieben, er ist nun Bewohnerinnen- und Bewohnerbetreuer im Sozialzentrum Egg.

Die Schülerinnen Lea Klimmer und Reyhan Cicin erzählen von ihren Berufswünschen. <span class="copyright">VN/Hartinger</span>
Die Schülerinnen Lea Klimmer und Reyhan Cicin erzählen von ihren Berufswünschen. VN/Hartinger

Ronald Waibel ist Mitwirkender der Produktion „Don Quijote – ein Stück (weg) von der Wahrheit“, die nun im Bregenzer Theater Kosmos uraufgeführt wurde. Der deutsche Autor und Regisseur Philip Jenkins machte sich gemeinsam mit dem Kosmos-Team auf die Suche nach Menschen in Vorarlberg, in deren Biografien sich Aspekte aus der „Don Quijote“-Figur widerspiegeln. Dabei lag der Fokus auf der Frage, was man ist oder eben nicht mehr ist.

Gabi Wantke ist Mitglied der Lady Biker. <span class="copyright">VN/Hartinger</span>
Gabi Wantke ist Mitglied der Lady Biker. VN/Hartinger

Das Ergebnis ist einer der tiefgreifendsten, emotional berührendsten und dabei auch vom philosophischen Gehalt her intelligentesten Theaterabende seit Langem. So viel Authentizität, sowohl in der Rollengestaltung der Schauspieler des Sancho Pansa, der Dulcinea wie des Erzählers, als auch in den Auftritten der Bühnenamateure mit ihren Biografien, ist selten erlebbar. Zu dieser Ehrlichkeit, die das zentrale Thema dieser Arbeit ist, gehört es auch, die Kluft zwischen den Vorträgen des erwähnten ehemaligen Pfarrers, eines sensiblen Mittelschullehrers, der beiden vor der Berufsentscheidung stehenden Schülerinnen und einer energiegeladenen Bikerin so zuzulassen, wie sie sich jedes Mal ergibt. Alles andere wäre Fake, und diesen zwar nicht plakativ, sondern feinsinnig zu entlarven, darum geht es letztendlich. Die Wandlung, die Don Quijote als durchaus auch aggressive Figur von Miguel de Cervantes bis hin zum gütigen Mann von La Mancha im Laufe der Rezeptionsgeschichte unternahm, sollte gegengespiegelt werden. Philip Jenkins, der Erfahrungen aus der Arbeit mit der Gruppe Rimini Protokoll mitbringt, erweitert im Hinblick auf neue Perspektiven der Wahrheit die Mittel des Theaters, tut dies mit großem Respekt vor jenen, die wahrscheinlich zum ersten Mal auf einem solchen Podium stehen, und wiederum ungemein lustvoll, wenn es darum geht, Sabine Lorenz und Hubert Dragaschnig als Sancho Pansa und Dulcinea ein vielschichtiges und furios freches Spiel um Wahrheit und Verstellung zu entlocken. Der Musiker George Nussbaumer legt einen feinen Sound darüber und offenbart als Erzähler kleine geheime Sehnsüchte.

Walter Gohli ist Mittelschullehrer. <span class="copyright">VN/Hartinger</span>
Walter Gohli ist Mittelschullehrer. VN/Hartinger

Sabine Ebner hat die Bühne mit Bildmotiven ausgestattet, die im Lichtdesign von Stefan Pfeistlinger strahlen und uns träumen, schmunzeln und erkennen lassen. Erlebt die Lady Bikerin Gabi Wantke ihre Ausflüge,ein kleines Pendant zu den einstigen Ritterabenteuern zu Pferde, als Ausgleich zu den Ungerechtigkeiten der Arbeitswelt? Wie recht hat doch Walter Gohli, wenn er sich als Mittelschullehrer auch als Sozialarbeiter sieht. Und wie zeigt sich die Entwicklung der Identität für heutige Jugendliche (Reyhan Cicin und Lea Klimmer), wenn ihnen die sozialen Medien mannigfaltige Möglichkeiten eröffnen?

Der Musiker George Musiker mit Hubert Dragaschnig und Sabine Lorenz. <span class="copyright">VN/Hartinger</span>
Der Musiker George Musiker mit Hubert Dragaschnig und Sabine Lorenz. VN/Hartinger

Was kann Theater heute? Auch diese große Frage schwingt mit. Mit „Don Quijote – ein Stück (weg) von der Wahrheit“ verlässt das Theater Kosmos den Bereich der Fiktion, vertraut dabei aber auf die Kraft von Kunst und Theater, der man sich, wie auch der Applaus zeigt, nicht entziehen will.  

Hubert Dragaschnig und Sabine Lorenz als Sancho und Dulcinea. <span class="copyright">VN/Hartinger</span>
Hubert Dragaschnig und Sabine Lorenz als Sancho und Dulcinea. VN/Hartinger

Weitere Aufführungen des Stücks vom 7. bis 28. Mai im Theater Kosmos in Bregenz.

<p class="caption">Der Premierenabend von "Don Quijote - ein Stück (weg) von der Wahrheit" endete mit großem Applaus. <span class="copyright">VN/Hartinger</span></p>

Der Premierenabend von "Don Quijote - ein Stück (weg) von der Wahrheit" endete mit großem Applaus. VN/Hartinger