Gerald Matt

Kommentar

Gerald Matt

Biennale – ein Fest für Künstlerinnen

Kultur / 24.05.2022 • 10:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Endlich wieder Biennale Venedig. Die Pandemie ließ die Kunstfans drei Jahre auf die wichtigste Kunstveranstaltung der Welt, die von Mai bis Ende November in über 90 nationalen Pavillons mehr als 500.000 Besucher anziehen wird, warten. Die Hauptausstellung gestaltete die Italienerin Cecilia Alemani unter dem Titel „Die Milch der Träume“ mit mehr als 200 (vorwiegend) Künstlerinnen. Es ist eine bravouröse und mutige Show, eine Welt starker Frauen aus allen Kontinenten, die uns in ihr fantastisch-magisches Reich entführen.

Programmatisch eröffnet ein lebensgroßer weiblicher Elefant von der deutschen Künstlerin Katharina Fritsch die Ausstellung in den Giardini, die tief in den Traditionen des Surrealismus wurzelt. Bezog sich Alemani doch auf ein von absurden Fabelwesen bewohntes Kinderbuch der Surrealistin Eleonora Carrington, in dem das Leben im „Prisma der Vorstellungskraft“ immer wieder neu erfunden wird.

„Es ist eine bravouröse und mutige Show, eine Welt starker Frauen aus allen Kontinenten.“

Und dieses Mal enttäuschen auch die nationalen Pavillons nicht. Im Gegenteil, da gibt es Großartiges zu sehen. Ich darf Ihnen meine Lieblingspräsentationen ans Herz legen. Da ist Österreichs erfrischend bunter, queerer und opulenter Pavillon mit Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl mit dem humorvollen Titel „Die Einladung der Softmaschine und ihrer wütenden Körperteile“ „Unser Ziel ist es zu verführen“, verkünden die beiden, die auch privat ein Paar sind. Zu meinen Favoriten zählen der Pavillon der USA mit der brillanten schwarzen Bildhauerin Simone Leigh, die die Geschichte schwarzer Frauen und bis heute andauernder Diskriminierung in ihre Skulpturen bannt. Ihr Beitrag und die Arbeit der schwarzen Britin Sonia Boyce wurden auch mit dem begehrten Goldenen Löwen ausgezeichnet. Beeindruckend der nordische Pavillon, der heuer zum Pavillon der indigenen samischen Künstler wird. Ihre Werke lenken den Blick auf ein Volk, das um seine Art zu leben, kämpft. Griechenland überzeugt mit dem 2500 Jahre alten Drama von Sophokles. Die Künstlerin Loukia Alavanou lässt Roma Laienschauspieler vom Schicksal des Ödipus und damit auch von ihrem eigenen Los erzählen. Serbien thematisiert mit zwei großformatigen Projektionen eines offenen Meeres und eines von weit oben aufgenommenen einsamen Wettschwimmers das Nichts. Und es ist nicht zuletzt der Belgische Pavillon mit Francis Alÿs unter dem Titel „Die Spiele der Kinder“, der uns in betörenden Filmen mit der Spielfreude von Kindern entzückt. Da legen Kinder aus dem Kongo in ausrangierten Reifen auf Müllhaldengebirgen spektakuläre Fahrten hin, da lassen belgische Kinder von ihnen bunt bemalte Schnecken um die Wette kriechen.

In der Stadt selbst gibt es auch Großartiges zu sehen. Ugo Rondinones fliegende Männer in der Scuola di San Giovanni Evangelista, Marlene Dumas sensible, berückende Bilder im Palazzo Grassi, der grandiose Paarlauf von Arnulf Rainer und Emilia Vedova in der Fondazione Vedova und Anselm Kiefers Welttheater in der Sala dello Scrutinio im Dogenpalast.

Gerald Matt

gerald.matt@vn.at

Dr. Gerald Matt ist Kulturmanager und unterrichtet an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.