Wo es tolle Hits und viele Denkanstöße gibt

Kultur / 29.05.2022 • 15:30 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Das Publikum hat die Premiere von "Wir sind die Neuen" in Fußach gefeiert. <span class="copyright">VN/CD</span>
Das Publikum hat die Premiere von "Wir sind die Neuen" in Fußach gefeiert. VN/CD

Theatergruppe Fußach bietet witzig-geistreiche Konfrontation von Generationen und Lebensentwürfen.

Fußach „Veränderungen sind das, was man sich neu denkt“, heißt es einmal in der Komödie „Wir sind die Neuen“ von Ralf Westhoff. Wer sich heute der Pensionsberechtigung nähert, hat wahrscheinlich eine Studenten- bzw. Ausbildungszeit erlebt, die von einer gesellschaftlichen Aufbruchstimmung geprägt war. Auch dann, wenn man es etwas ruhiger angehen ließ wie Anna, Johannes und Edi, die  – sagen wir einmal – nicht nur den Uni-Abschluss vor Augen hatten, als sie vor über dreißig Jahren in einer WG lebten, die Vorlesungen gerne einmal für eine Demo sausen ließen und ihre Studierzimmer oft zur Partylocation umfunktionierten.

Markus Vögel (Johannes), André Röck (Edi) und Petra Hämmerle (Anna) gründen am Ende ihrer Berufslaufbahn eine WG wie einst in Studienzeiten. <span class="copyright">VN/CD</span>
Markus Vögel (Johannes), André Röck (Edi) und Petra Hämmerle (Anna) gründen am Ende ihrer Berufslaufbahn eine WG wie einst in Studienzeiten. VN/CD

Diesen Geist will Anna wieder aufleben lassen als sie bei den ehemaligen Kommilitonen anfragt, ob sie sich nicht vorstellen könnten, wieder zusammenzuziehen. Der zweite Grund führt uns die Folgen des Turbokapitalismus vor Augen, denn etwas geräumigere Wohnungen sind mittlerweile so teuer, dass sie mit den Einkommensverhältnissen einer Biologin, die viele ihrer Ressourcen für den Kampf für die Umwelt verbrauchte, nicht mehr kompatibel sind. Johannes hat auch nichts auf der Kante, weil er sich als Anwalt oft für Mittellose einsetzte und Edi hat eine ungute Arztdiagnose zu bewältigen, weshalb ihm freundschaftliche Nähe nur recht ist. Die WG-Idee wird also verwirklicht.

Ursprünglich eine Filmkomödie

Der Kern des Bühnenstücks, eine Adaptierung des gleichnamigen Films, der 2014 unter anderem mit Gisela Schneeberger, Heiner Lauterbach und Michael Wittenborn in die Kinos kam, ergibt sich aus der Konfrontation dieser Menschen, die in den späten Fünfzigern oder frühen Sechzigern noch bereit sind, ihr Leben neu zu ordnen, mit drei in der oberen Wohnung lebenden Studenten, denen der Erfolgsdruck jegliche Reflexionsmöglichkeit raubt. Man will das Diplom, sonst nichts.

Der graue Star muss überwunden werden: Petra Hämmerle und Markus Vögel. <span class="copyright">VN/cd</span>
Der graue Star muss überwunden werden: Petra Hämmerle und Markus Vögel. VN/cd

Der Weg bis zur Auseinandersetzung über Lebensentwürfe oder den Wert von Empathie ist freilich mit einigen Klischees gepflastert, der Dialogwitz wie der Charme, der über der Handlung liegt, ergeben jedoch einen wunderbar humorvollen wie geistreichen, mit vielen brauchbaren Denkanstößen aufgeladenen Theaterabend, den das Premierenpublikum begeistert feierte.

Plausible Einraumlösung

Die Hürden sind groß, denn die Szenenwechsel sind zahlreich. Es braucht eine extrem genaue Regiearbeit des Profis Augustin Jagg, der die Einraumlösung, die er mit den Bühnenbildnern Paolo David und Karlheinz Schmid plausibel macht, und die vielen Gags ebenso wirken lässt wie die sehr ernsten Momente. Mit Petra Hämmerle, Markus Vögel und André Röck hat er geschulte, temperamentvolle Akteure, die kaum noch der Amateurszene zuzuordnen sind und Lisa Blum sowie Gabriela Blum und Lucas Vögel verdeutlichen, dass es in der Theatergruppe Fußach auch nach der langen, pandemiebedingten Durststrecke mit Aufführungs- und Probenverboten noch einen motivierten Nachwuchs mit beeindruckender Bühnenpräsenz gibt. Albert Lässer, Jürgen De Costa und Edith Maier haben gute Kurzauftritte und dass die Auswahl der vielen tollen Hits den Zeitsprung nicht klar eingrenzen lassen (war das nun vor 30, 40 oder gar 50 Jahren?)  ist völlig nebensächlich, denn auch die nun schon seit Jahrzehnten tätige Rezensentin darf festhalten: Hallo Youngsters, wir waren einst nicht so gestylt und kommunizierten nicht mit glänzenden iPhones, aber, sorry, wir hatten damals die weitaus geilere Musik.

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Weitere Aufführungen vom 3. bis 18. Juni in der Mehrzweckhalle in Fußach: www.theatergruppefussach.at

Edith Maier und Markus Vögel. <span class="copyright">VN/CD</span>
Edith Maier und Markus Vögel. VN/CD