Ein Familienstück, das man sicher nicht vergisst

Festspielvorprogramm mit „Vergissmeinnicht“ und einem starken Thema des Ensembles Die Schurken wurde bejubelt.
Bregenz Das Thema ist herausfordernd, jedoch enorm wichtig, und was das Vorarlberger Ensemble Die Schurken nun unter dem Titel „Vergissmeinnicht“ geboten hat, zählt wohl zu den schönsten, eindrücklichsten und berührendsten bisherigen Produktionen. Dies sei nur vorausgeschickt, denn eine Kategorisierung ist angesichts der Vielfalt der Themen, die Martin Deuring (Kontrabass), Martin Schelling (Klarinette), Goran Kovacevic (Akkordeon) und Stefan Dünser (Trompete) in ihren Projekten mit Titeln wie „Kommissarin Flunke“, „Unterwegs nach Umbidu“ oder „Der magische Klang“ behandeln, ohnehin kaum vorzunehmen.

„Vergissmeinnicht“ wurde von Regisseurin Sara Ostertag dramaturgisch mit jenen poetischen Feinheiten, Temperament und überraschenden Bildern aufbereitet, die schon oft überzeugt und verzaubert haben, und die vier genannten Musiker kehren wiederum jeweils den exzellenten Schauspieler heraus und zeigen ein spontanes, nahtlos in den Erzählablauf integriertes Zusammenspiel ihrer Instrumente, das uns erstaunen lässt. Nicht verwunderlich, dass die vier Vorarlberger schon mehrmals ausgezeichnet wurden und auf renommierten Bühnen sowie bei großen Festivals auftreten.
Besonderes Plus
Mit diesem Projekt wagt man sich zudem in einen Bereich, der uns alle betrifft, der aber immer noch zu sehr verdrängt wird. Oma und Opa sind halt vergesslich – so erfahren es die Kinder. Erwachsene sollten wissen, dass es Möglichkeiten gibt, die Krankheit früh zu erkennen und den Verlauf zu verzögern. Dass sich in der Region vor allem auch Kulturschaffende der Demenz annehmen, ist ein besonderes Plus und einzelnen Initiativen zu verdanken. Was die Vorarlberger Musiker nun mit ihrer Regisseurin geschaffen haben, bringt zudem zum Ausdruck, dass in unserer Leistungsgesellschaft etwas komplett schiefläuft, wenn jene, die das Tempo nicht mehr mithalten können, ausgegrenzt werden.

Es ist den Bregenzer Festspielen hoch anzurechnen, das Projekt „Vergissmeinnicht“ nun ins junge Zusatzprogramm genommen zu haben und sich mit der Aufführung an Familien zu richten. Am Sonntagvormittag bot das vollbesetzte Seestudio mit den vertretenen mindestens drei Generationen ein bestätigendes Bild.

Das Stück selbst handelt davon, wie ein alter Mann die Personen im Familienalbum nicht mehr kennt. Die Freunde sind ebenfalls schon ergraut, einer braucht einen Rollator, doch beim Klang einer Trompete werden Erinnerungen wach, automatisch wird das Musizieren imitiert – ein wunderbarer Regieeinfall – und schließlich macht man sich auf, um noch einmal die Welt zu entdecken.
Perfekt und spannend
Die Musik machts möglich; Deuring, Dünser, Kovacevic und Schelling brauchen nicht viele Requisiten und auch keine plakative Werkauswahl. Die kleinen Stücke von Grieg, Mozart, Debussy, Puccini etc. sowie jene der Vorarlberger Marcus Nigsch und Murat Üstün sind so gut adaptiert und so perfekt ineinander verzahnt, werden so spannend angestimmt und mit Witz präsentiert, dass das ganz junge Publikum dem Geschehen aufmerksam folgt und dass „Vergissmeinnicht“ für die Großen sowieso noch länger dauern könnte. Zum begeisterten Jubel im Seestudio gab es noch ein paar Töne extra sowie die Zuversicht, dass die Schurken nach ihrer Tournee sicher wieder einmal in Vorarlberg Station machen.

Am Montag und Dienstag haben die Festspiele Schulaufführungen geplant: bregenzerfestspiele.com



Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.