Modigliani-Musiker erzählen vom Abenteuer Franz Schubert

Die vier Musiker führen in fünf Konzerten bei der Schubertiade alle 14 Streichquartette auf.
Schwarzenberg, Paris Das Quatuor Modigliani ist ein klassisches französisches Streichquartett, das 2003 von vier engen Freunden während ihres Studiums am Pariser Conservatoire gegründet wurde. In diesen zwei Jahrzehnten hat sich das Ensemble den Ruf als eines der international führenden Streichquartette erobert. Unsere Fragen beantwortet Primarius Amaury Coeytaux.
Während andere Streichquartette sich gerne nach Komponisten benennen, haben Sie sich als französisches Quartett den Namen des italienischen Malers Amedeo Modigliani (1884-1920) auf die Fahnen geheftet – ein Symbol für den Farbenreichtum Ihrer Interpretationen?
Die Idee entstand eher nach der Betrachtung seiner Kunst und der Art und Weise, wie er sie entwickelt hat. Man erkennt einen Modigliani immer, wenn man ein Museum betritt. Sein Temperament und sein Stil sind sehr spezifisch, und er hielt stets an dem fest, woran er glaubte. Die eigene Identität als Künstler zu finden, ist eine unserer größten Herausforderungen, und wir versuchen, den Leitspruch Modiglianis „Es ist deine Pflicht, deinen Traum zu verfolgen“ zu beherzigen.
Welche Bedeutung nimmt Franz Schubert generell in Ihrem Repertoire ein?
Schubert hat uns in den letzten zwei Jahren begleitet. Es ist etwas ganz Besonderes, diese Art von Intensität und Intimität mit einem Komponisten zu pflegen. Man beginnt ein eigenes Verständnis für dessen Persönlichkeit und eine bedingungslose Bewunderung für einen solchen Komponisten zu entwickeln.
Stand bei Ihnen der Wunsch, alle 14 Streichquartette Schuberts einmal zyklisch aufzuführen, auch im Zusammenhang mit seinem heurigen 225. Geburtstag?
Den ganzen Zyklus zu spielen, ist immer etwas Besonderes. Dieses Eintauchen hilft uns, sowohl dem Publikum als auch den Künstlern, die Tiefe einer solchen Musik zu verstehen, und ist eine einzigartige Gelegenheit, die erstaunliche Geschwindigkeit zu spüren, mit der sich der Komponist entwickelt hat. Geburtstage sind immer ein Moment des Gedenkens, aber im Vergleich zur Bewunderung, die wir für einen Künstler mit einer solchen Kreativität empfinden, wird dies fast irrelevant.
Manche Ensembles bevorzugen bei einem Zyklus eine chronologische Reihung, um damit die Entwicklung im Schaffen des Komponisten aufzuzeigen. Bei Ihnen gibt es ein ganz anderes Prinzip, das Sie uns erklären sollten.
Es war eine unglaubliche Entdeckung für uns, jeden Winkel von Schuberts Kompositionen zu besuchen. Seine Inspirationen sind zahlreich, und doch hat er von seinen frühesten Seiten an einen sehr persönlichen Einfluss. Die späteren Quartette sind ein Erbe dieser Experimente, und es war interessant, sie entsprechend zusammenzustellen.
Die beliebtesten Streichquartette Schuberts sind beim Publikum wohl „Rosamunde“, „Der Tod und das Mädchen“ und das große letzte Quartett in G-Dur. Deckt sich das auch mit Ihren Einschätzungen?
Schubert hat ein unglaubliches Gleichgewicht gefunden zwischen dem Lied, das in seinen Quartetten fast allgegenwärtig ist, der Erzählung, die sich in den Gedichten widerspiegelt, die er als Inspiration gewählt hat, und der Form, um die er seine Quartette gebaut hat. Er vermag es, uns zu entführen, indem er die unglaublichsten unerwarteten Tonartbeziehungen nutzt und Klangfarben im schönsten dolcissimo ersinnt. Die letzten drei Quartette sind ein Höhepunkt in der Quintessenz seiner Sprache.
Ist das für Sie etwas Besonderes, diesen Zyklus nun erstmals bei der Schubertiade aufzuführen – hier, wo Sie seit über zehn Jahren jährlich gastieren?
Nach Hohenems und Schwarzenberg zu kommen, ist immer etwas ganz Besonderes. Wir spielen dort nun schon so lange und spüren daher eine sehr starke Verbindung zum Saal und zum Publikum. Die Natur, die diesen Ort umgibt, verstärkt dieses Gefühl der Verbundenheit. Die Kraft der Berge und die wechselnden Lichter sind zudem in gewisser Weise ein Spiegel von Schuberts Musik. Das inspiriert uns sehr – so, als ob wir uns dem Kern der Musik nähern würden.
Sie haben bereits im Jänner eine wunderbare Gesamteinspielung dieser Werke vorausgeschickt, die große Bewunderung in der Fachwelt auslöste.
Das war eine große und wunderbare Herausforderung für das Quartett. Das selbe Verständnis von der Musik und der Absicht des Komponisten zu erlangen, ist ein langer Weg für ein Quartett. Es gibt immer viele Feinheiten, die diskutiert werden müssen und Zeit brauchen, um zu einem gemeinsamen Ergebnis zu kommen. Hier gibt es noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Der Übergang zwischen den frühen Quartetten und den letzten ist schwindelerregend. Wie spielt man die frühen Quartette, sind sie alle im gleichen Stil oder streng von ihren Vorgängern inspiriert? Die letzten Quartette sind völlig anders und doch vom selben Künstler komponiert. Haben sich seine Stimme und seine Kraft drastisch verändert? Auf all diese Fragen gibt es sehr persönliche Antworten, und wir haben versucht, sie in diesen Aufnahmen so gut wie möglich darzustellen.
Hat sich Schubert als Mensch und mit seiner Musik eigentlich von seinen Zeitgenossen verstanden und angenommen gefühlt?
Jeder Komponist hat seine eigene Identität und seinen eigenen Klang. Schubert blieb immer in seinem engen Freundeskreis und schien sich unwohl zu fühlen, wenn er von der Menge umgeben war. Vermutlich fühlte er sich auch missverstanden. Das ist etwas, was wir in seiner Musik finden können, mit einer überwältigenden Emotion, die durch eine zerbrechliche und einprägsame Melodie hindurchscheint.
Würden Sie zusammenfassend sagen, dieses Projekt war ein Abenteuer für Sie?
Die seltene Intensität eines solchen Projekts ist natürlich ein großes Abenteuer für uns alle vier. Es war eine große Herausforderung, in die wir eintauchen und die wir nun mit der Öffentlichkeit teilen können. Fritz Jurmann
Konzerte 2 und 3 des Schubert-Streichquartettzyklus bei der Schubertiade Schwarzenberg – 18. Juni, 16 Uhr; 19. Juni, 11 Uhr (Quatuor Modigliani) – Angelika-Kauffmann-Saal.
ZUM ENSEMBLE
QUATUOR MODIGLIANI
GRÜNDUNGSJAHR 2003, Paris
MITGLIEDER Amaury Coeytaux, Erste Violine; Loïc Rio, Zweite Violine; Laurent Marfaing, Viola; François Kieffer, Violoncello
EINSPIELUNGEN seit 2008 zehn Alben beim französischen Label Mirare; Preis der deutschen Schallplattenkritik
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