Begegnung mit einer jungen Künstlerin

Kultur / 23.06.2022 • 22:30 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Melanie Greußing hat eine Affinität zum Textilen und zu textilen Materialien. <span class="copyright">Petra Rainer</span>
Melanie Greußing hat eine Affinität zum Textilen und zu textilen Materialien. Petra Rainer

Das Egg Museum zeigt Arbeiten der Bregenzerwälder Künstlerin Melanie Greußing.

EGG Die Zeit verläuft linear. So jedenfalls wird das gemeinhin angenommen. Aber verhält es sich tatsächlich so? Worüber man in der Wissenschaft diskutieren mag, folgt in der Kunst eigenen Gesetze. So auch im Schaffen von Melanie Greußing, die im Egg Museum einen Werkausschnitt aus den letzten Jahren zeigt und darin Zeit und Geschichten, samt den Menschen darin, vor- und zurückspult, wiederholt und durchmischt.

Als eine von vier neuen Plattformen für Gegenwartskunst im Bregenzerwald stellt das Egg Museum in den Sommermonaten Werke der aus Schnepfau stammenden Künstlerin Melanie Greußing vor, die als Geschäftsführerin des Vereins „Double Check. Netzwerk Kultur und Bildung in Vorarlberg“ wieder in Vorarlberg beheimatet ist.

In die Installation „base 1“ muss man eintauchen, um den Loop eines Baseballspiels in Havanna mitzuverfolgen. <span class="copyright">Greußing</span>
In die Installation „base 1“ muss man eintauchen, um den Loop eines Baseballspiels in Havanna mitzuverfolgen. Greußing

In der Ausstellung „früher oder später“ nimmt die Künstlerin mit auf eine ganz persönliche Zeitreise, die keineswegs direkt chronologisch von A nach B verläuft, sondern das früher, später oder jetzt in einer Zeitschlaufe lustvoll durcheinanderwirbelt, in deren Sog man sich auch als Besucherin und Besucher gerne verfängt. Die Formulierung „früher oder später“ zielt fast drohend mit zwei widersprüchlichen Zeitangaben auf etwas Zukünftiges, Unausweichliches ab. Diese Gleichzeitigkeit in Abläufen, dasselbe Motiv im gleichen Moment an verschiedenen Orten, die Verschiedenartigkeit im Gleichen, sind Aspekte, die im Schaffen von Melanie Greußing immer wieder aufscheinen. Ebenso wie ihre Affinität zum Textilen und zu textilen Materialien und Techniken, die ihr in der Umsetzung große Freiheiten und Möglichkeiten, die die Künstlerin gerne auslotet, auch im experimentellen Bereich bescheren. Bereits während ihres Textildesignstudiums hat sich Melanie Greußing mit digitalen Oberflächen befasst oder leitende Textilien mit LEDs zu Schaltkreisen vernäht, die dann während einer Performance von Tänzerinnen und Tänzern zum Leuchten gebracht wurden. Aber auch das Prinzip der Raster- bzw. Pixelung und die traditionelle textile Webmethode mit Kette und Schuss liegen ihren Arbeiten zugrunde, wie im großformatigen Werk „see“, für das die Künstlerin zwei kurz nacheinander entstandene Fotos eines Mannes neben einem Segelboot in Streifen zerlegt und zu einem Gewebe zusammenfügt, das auch mit der minimalen zeitlichen Verschiebung spielt. Aufbruch oder Ankunft? Melanie Greußing lässt es in der Schwebe.

Heimat

Egal an welchem Ort auf der Welt wir sind, der Himmel, der sich über uns spannt, ist derselbe. Aus dieser Überlegung ist die stille, konzeptuell angelegte Reihe „sky“ entstanden, für die Freunde und Bekannte der Künstlerin am gleichen Tag, zur selben Zeit an verschiedenen Orten auf der Welt den Himmel über sich abgelichtet haben. Heimat als ein genau definierter Ort und als Motiv (der Blick vom Elternhaus auf die Kanisfluh) bestimmt dagegen die Siebdruckserie „von weiter weg“ – sieben Bilder des Berges, die zum Selbstporträt werden.

Werk aus der konzeptuell angelegten Reihe „sky“. <span class="copyright">Greußing</span>
Werk aus der konzeptuell angelegten Reihe „sky“. Greußing

Menschen und Körper, aktiv und statisch, die auftauchen und sich wieder auflösen im Diffusen, stehen im zweiten Raum der Ausstellung im Fokus. In die Installation „base 1“ muss man tatsächlich eintauchen, um den Loop eines endlosen Baseballspiels eines Jungen in Havanna mitzuverfolgen. Im dritten Raum bilden die künstlerischen Arbeiten die einzige Lichtquelle. Inszenierte Bewegung im Tanz und Leuchtkästen, mit Fotos von Menschen, die im ansonsten winterlichen Dunkel der Stadt Tallin von den punktuell erleuchteten Eislaufflächen wie Motten angezogen werden und deren Bewegungen und Pirouetten in ihrer Unschärfe poetische Bilder erzeugen. Ariane Grabher

Die Ausstellung ist im Egg Museum, Pfarrhof 5, Egg, bis zum 26. Oktober geöffnet, Fr bis So von 15 bis 18 Uhr. Infos zum Rahmenprogramm auf www.eggmuseum.at

Melanie Greußing

Geboren 1987 in Au/Bregenzerwald

Ausbildung Lehramtsstudium Bildnerische Erziehung und Textiles Gestalten sowie Textil/Kunst & Design an der Kunstuniversität Linz

Laufbahn seit 2008 künstlerisch tätig, zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland, Kunst im öffentlichen Raum

Wohnort Schnepfau