Es darf auch mal unangenehm werden

Kultur / 14.07.2022 • 16:50 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Im obersten Geschoss tanzt die "Female Figure" lasziv vor einem Spiegel. Sie hält mit dem Besucher mittels Gesichtserkennungssoftware Blickkontakt. <span class="copyright">Beate Rhomberg</span>
Im obersten Geschoss tanzt die "Female Figure" lasziv vor einem Spiegel. Sie hält mit dem Besucher mittels Gesichtserkennungssoftware Blickkontakt. Beate Rhomberg

Der US-amerikanische Künstler Jordan Wolfson stellt im Kunsthaus Bregenz provokante Fragen.

Bregenz Wer in Jordan Wolfsons Arbeiten nach Antworten sucht, wird nicht fündig. Der US-amerikanische Künstler stellt Fragen. Fragen, die überaus unbequem sein können. In seinen multimedialen Arbeiten widmet sich der 42-Jährige den Themen Gewalt, Rassismus, Sexualität oder Homophobie und untersucht dabei den Einfluss von Massenmedien und Digitalisierung auf unsere Gesellschaft. Dabei bedient er sich zahlreicher künstlerischer Mittel, von Videos und Skulpturen bis hin zu digitalen Animationen, Robotern und Musik. Viel möchte Jordan Wolfson nicht zu seiner Kunst sagen. Die Ausstellung bezeichnet er als höchst intuitiv. “Wenn ich die Bedeutung jedes einzelnen Werks erklären würde, würde ich das für die Besucher kaputt machen”, sagt der Künstler.

In seiner Arbeit “Real Violence” (2017) im Erdgeschoss geht’s gleich richtig unangenehm zur Sache. Der Künstler versetzt die Besucher mittels VR-Brille in eine virtuelle Welt, in der man Zeuge einer brutalen Gewaltszene wird, die nicht für schwache Nerven ist. Nicht umsonst werden die Besucher während des nur wenige Sekunden dauernden Videos dazu aufgefordert, sich an einem Griff festzuhalten. Die Arbeit stellt etwa Fragen nach unserem virtuellen Voyeurismus, unseren Umgang mit Gewalt.

Die Arbeit “House With Face” (2017) beunruhigt ebenfalls und lässt die Grenzen zwischen Realem und Imaginärem verschwimmen. Eine hexenähnliche verzerrte rote Grimasse, an der Metallringe montiert sind, entpuppt sich bei genauem Betrachten als Blockhütte. Dem Künstler geht es auch hier darum, eine “Körperreaktion” hervorrufen. “Die Arbeit ist gut darin, das hervorzurufen, was passiert, wenn eine furchterregende Maske ein Kind oder ein Tier erschrickt”, erklärt Wolfson.

Die visuelle Collage “Artists Friends Racists” ist während der Pandemie entstanden und geht der Frage nach, wer die Freunde und wer die Rassisten sind. Auf 20 Ventilatoren werden Emojis, Davidsterne, Herzen, Zahlen, Kreuze, Kätzchen-GIFs sowie Porträts berühmter Künstler projiziert, die im Raum zu schweben scheinen. Auch hier geht es dem Künstler um Gegensätze: “Es geht auch um meine Liebe und meinen Respekt für Künstlerinnen und Künstler, meine Verachtung für Autoritäten und die Heuchlerei weißer Menschen, die sich für Heilige halten.”

“You can be a sweet dream or a beautiful nightmare” hallt es durch den Ausstellungsraum im ersten Stock, in dem die Videoarbeit “Raspberry Poser” (2012) zu sehen ist. Wolfson lässt darin nicht nur ein animiertes Kondom durch die Straßen im New Yorker Stadtteil Soho schweben, zwischendurch hüpfen auch ein Virus in Form einer stacheligen Kugel und eine aufgebrachte Comicfigur durchs Bild. Der Künstler, der in dem Video als Skinhead auf einer Straße in Paris zu sehen ist, spielt dabei mit der Angst vor AIDS und wirft Fragen zu Liebe, Begehren und dem Tod auf.

Im dritten Stock lässt Wolfson die Puppe tanzen, jedoch immer nur für vier Besucher gleichzeitig. Die “Female Figure” (2014), eine spärlich bekleidete und leicht beschmutzte weibliche Puppe mit blonder Perücke, grüner Pestmaske und Overknee-Stiefeln, tanzt vor einem riesigen Spiegel zu Lady Gagas “Applause”. Anziehung und Abstoßung sollen sich hier die Waage halten. Ihre Gelenke knarzen zur Musik, ihre Arme heben sich, der Hintern wackelt im Takt. Unbehagen bereitet der bös wirkende Blick des täuschend menschlich wirkenden Roboters, der mit dem Zuschauer mittels Gesichtserkennungssoftware Blickkontakt hält. Manchmal ist es sogar der Künstler selbst, der hinter dem Spiegel den Platz des Beobachters einnimmt. Seine Kunst ist alles andere als leicht bekömmlich, aber es darf auch mal unangenehm werden. Sollte es sogar.

Die Ausstellung “Jordan Wolfson” wird am 15. Juli um 19 Uhr eröffnet. Geöffnet bis 9. Oktober, Kunsthaus Bregenz. Programm: www.kunsthaus-bregenz.at

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