Einen Abend lang zeitgenössische japanische Musik und Literatur

Kultur / 25.07.2022 • 21:00 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Der musikalische Part lag in den virtuosen Händen des Frankfurter „Ensembles Modern“. <span class="copyright">Anja Köhler</span>
Der musikalische Part lag in den virtuosen Händen des Frankfurter „Ensembles Modern“. Anja Köhler

Auftakt der Reihe “Musik & Poesie” im Rahmen der Bregenzer Festspiele.

Bregenz Das Seestudio mit Blick auf den Bodensee war der passende Rahmen für die erste Veranstaltung in der Reihe „Musik & Poesie“, denn das Verhältnis zur Natur spielt eine eminente Rolle in der japanischen Kultur.

Unter dem Titel „Schmetterlingseffekte“ konnte das zahlreich erschienene Publikum einen Abend lang zeitgenössische japanische Musik und Literatur kennenlernen. Der musikalische Part lag in den virtuosen Händen des Frankfurter „Ensembles Modern“, das eine überzeugende Visitenkarte abgab. Als Vertreterin der Poesie war die Lyrikerin Miki Sakamoto eingeladen, die seit fast 50 Jahren in Bayern lebt.

Es wurde ein hochkonzentrierter, aber anstrengender Abend. Das lag einerseits an der sehr leisen Stimme von Frau Sakamoto, andererseits am Programmheft, das keinerlei weiterführende Informationen zu den Komponisten und Werken bot. Es blieb einem nichts anderes übrig, als sich auf den Augenblick einzulassen – eine geradezu meditative Übung.

Philosophische Ideen

Sakamotos ruhige, konventionelle Gedichte, in denen sie Natureindrücke aneinanderreiht, sind immer auch mit philosophischen Ideen verbunden: der Heilsamkeit der Natur, der Vergänglichkeit, aber auch der Schönheit und Ruhe. Trotz des Bewusstseins für die immer drohenden Katastrophen wie Taifune oder Erdbeben werden Mensch und Natur als sinnvolles Ganzes empfunden. Schön war es, die Gedichte auch auf Japanisch zu hören.

Ganz anders die Musikstücke. Hier herrschte die Moderne, also das Prinzip der Dekonstruktion und des Fragmentarischen. Der Kanon für Klavier von dem 1956 verstorbenen Takako Yoshida war das traditionellste Stück. Malika Kishino, eine prominente Komponistin, die in Paris studiert hat und den Applaus des Publikums persönlich entgegennahm, war mit einem faszinierenden Lamento für Violine und Viola vertreten, das im ersten Teil „Sturm“ mit viel Flageolett, schnellen Bogenbewegungen und scharf angerissenen Pizzicati eine hektische Atmosphäre erzeugt, dann ruhige japanische Melodiefragmente evoziert, die (wie man aus Wikipedia erfahren kann) ein Volkslied aus Fukushima sind – auch dieser zeitgenössische Bezug blieb dem Publikum verschlossen.

Als Vertreterin der Poesie war die Lyrikerin Miki Sakamoto eingeladen, die seit fast 50 Jahren in Bayern lebt. <span class="copyright">A. Köhler</span>
Als Vertreterin der Poesie war die Lyrikerin Miki Sakamoto eingeladen, die seit fast 50 Jahren in Bayern lebt. A. Köhler

Chikage Imai, ebenfalls international bekannt, überzeugte mit „Osmosis Phoneme“ in einer Fassung für Trompete und Quer- und Piccoloflöte, in dem den Instrumenten alle möglichen ungewohnten (Natur-)Klänge entlockt werden. Das dritte Duo, diesmal für Cello und Kontrabass, stammte von dem tschechischen Komponisten Ondřej Adámek, der die europäische Moderne mit Elementen aus Japan verbindet und ebenfalls einem Programm mit Naturelementen wie „Wiesenblumen“ usw. folgt. Hier brillierten die Ausführenden mit sehr ausgefallenen Spieltechniken, wie senkrechtes Streichen der Seiten am Steg. Das groß besetzte Stück der ebenfalls bekannten Komponistin Yu Kuwabara hinterließ trotz der reicheren Klangfarben den schwächsten Eindruck. Zum Abschluss gab es ein traditionell gespieltes Volkslied aus Kyoto, dessen Schlussakkord das Ensemble dem Publikum vorenthielt – wohl ein Tribut an die Moderne. Ein minimalistischer Abend, der trotz einiger offener Wünsche faszinierte.

Ulrike Längle

Reihe Musik und Poesie:

Innenwelten | 31. Juli 2022, 19.30 Uhr, Seestudio

Fly Ganymed | 7. August 2022 (ausverkauft)

Das dritte Duo, diesmal für Cello und Kontrabass, stammte von dem tschechischen Komponisten Ondřej Adámek, der die europäische Moderne mit Elementen aus Japan verbindet. <span class="copyright">Köhler</span>
Das dritte Duo, diesmal für Cello und Kontrabass, stammte von dem tschechischen Komponisten Ondřej Adámek, der die europäische Moderne mit Elementen aus Japan verbindet. Köhler

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