Mit dieser außergewöhnlichen Opernpaarung starteten die Salzburger Festspiele

Kultur / 27.07.2022 • 16:30 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Ausrine Stundyte und Mika Kares in "Herzog Blaubarts Burg". <span class="copyright">APA</span>
Ausrine Stundyte und Mika Kares in "Herzog Blaubarts Burg". APA

“Herzog Blaubarts Burg” und “De temporum fine comoedia”: Von Abgründen zur Rehabilitierung Lucifers.

Salzburg Das hatten wir schon. Vor knapp vier Jahren engagierte die Stuttgarter Oper den belgischen Künstler Hans Op de Beeck für die Inszenierung und Ausstattung der Oper „Herzog Blaubarts Burg“ von Béla Bartók (1881-1945). Er nahm die Librettostelle mit dem See der Tränen wörtlich und ließ die Bühne (damals das Ausweichquartier in einem Postlager) gut knöchelhoch fluten. Um dem Publikum ein hautnahes Miterleben dessen zu ermöglichen, was Judith in der düsteren Burg von Blaubart durchmacht, durfte es das Setting ebenfalls durchwaten.

<span class="copyright">APA</span>
APA

Das bot die Felsenreitschule, wo die Salzburger Festspiele nun die erste Opernpremiere des Sommers ansetzten, zwar nicht, aber bei Romeo Castellucci, für den sich Ausrine Stundyte und Mika Kares ordentlich nass machten, war es auch ziemlich finster. Mehr noch, abgesehen vom Wasserbecken auf der Bühne verständigte sich der italienische Regisseur und Ausstatter mit der Festspielleitung darauf, dass das Publikum nach dem von Helena Rasker rezitierten Prolog am besten nicht viel zu sehen braucht.

<span class="copyright">APA</span>
APA

Zu Beginn ertönt Säuglingsgeschrei, dann eine klagende weibliche Stimme, den Rest besorgt die Partitur mit ihrer genau angelegten Darstellung der sieben Gruselkammern, für die Judith von Blaubart die Schlüssel verlangt. Wer sich die Bildzitate mit wahrscheinlich totem Kind, Buchstaben aus Feuer, die einmal das Wort „ICH“ bilden, Starterklemmen, einem Bett, einer sich schemenhaft abzeichnenden Kopulation und wildem Planschen zusammenreimt, konstatiert beim Blick in die seelischen Abgründe einen stärkeren Fokus auf die Frau. Die Vorstellung vom Frauenmörder verbleibt im Bereich der dunklen Märchen, bei denen sich Bartók und sein Librettist Béla Balász bedienten, Erlösung gibt es so oder so keine. Dafür halten Ausrine Stundyte (die erst jüngst in München in Pendereckis grausigem Operndrama „Die Teufel von Loudun“ zu bewundern war) und Mika Kares auch leise Töne bis zum Gehtnichtmehr aus, die Teodor Currentzis mit dem Gustav Mahler Jugendorchester fordert.

Schöne Utopie

Der Dirigent, der einst in Bregenz bei der Wiederentdeckung von Mieczyslaw Weinbergs „Die Passagierin“ noch als Jungspund fungierte, stellte sich in Salzburg der Herausforderung, zwei Werke zu verkoppeln, die inhaltlich nichts miteinander zu tun haben. Carl Orffs „De temporum fine comoedia“, 1973 hier uraufgeführt, bietet Romeo Castellucci die Möglichkeit, bei seiner Vorliebe für Szenen in nahezu totaler Finsternis zu bleiben, und Currentzis bei der Beherrschung eines riesigen Orchester- und Chorapparates zu brillieren.

Dass das Potenzial der Felsenreitschule nur dahingehend genutzt wurde, einen Teil der vielen Musiker auf einer Seitenempore zu postieren, bedauern jene, die den riesigen Raum kennen. Die Bühne einfach schwarz zu verhängen und mit den Wörtern “Meine Haut“ zu versehen, diese simple Lösung ist angesichts von Tableaus, die an frühere Achim-Freyer-Inszenierungen erinnern, auch schon wurscht.

„De temporum fine comoedia“ mit selten aktualisierten, archaischen Szenen. <span class="copyright">APA</span>
„De temporum fine comoedia“ mit selten aktualisierten, archaischen Szenen. APA

Gut, in Orffs „Spiel vom Ende der Zeiten“ braucht man sich nicht damit abzufinden, dass am Ende nur die Gerechten von Gott gerettet werden, enthält es doch die Utopie, dass das Böse überhaupt aus der Welt verschwindet. Angesichts der Aura der Salzburger Festspiele mit den Auftritten von Wirtschaftsbossen und Politikern wirkt die Verurteilung von Kapitalismus und Gier als Auslöser von Kriegen noch anachronistischer als anderswo, aber Castellucci verweigert ohnehin fast jegliche Aktualisierung, zeigt archaische Folter- und Steinigungsszenen, lässt die Menschen wie auf alten Sakralkunstwerken aus der Gruft steigen und die Rehabilitierung Lucifers – des Teufels – durch die Rückgabe des Apfels einleiten.

<span class="copyright">APA</span>
APA

 

Hell wird es nicht am Schluss, das wäre dann doch zu viel des naiven Glaubens ans Gute. Dafür bieten die Chöre (musicAeterna Choir, Bachchor Salzburg, Kinderchor) und die zahlreichen Solisten jegliche Farb- und Tonschattierungen, die Currentzis plastisch ordnet und von einem Orchester anfeuern lässt, das Bilder offenbart, gegen die das Szenische ohnehin verblasst. Aber das war wohl auch das Konzept, das ein großer Teil des Premierenpublikums ob der vielen Bravos zu goutieren schien.

Infozeile: Weitere Aufführungen vom 31. Juli bis 20. August in der Felsenreitschule.

<span class="copyright">APA</span>
APA

Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.