Ganz großes Kino in drei kleinen Puccini-Opern

Von diabolisch witzig bis herzzereißend tragisch: In “Il trittico” punktet eine grandiose Sopranistin.
Salzburg Aufgereihte Stühle an der Wand eines groß scheinenden Raumes, ein hohes Fenster bzw. eine verglaste Tür, die eine Lichtquelle bietet – Christof Loy weiß, wie man Stimmung erzeugt. Das Bühnenbild hat im Salzburger Festspielhaus mit Etienne Pluss zwar ein anderer entworfen, aber dennoch erinnern zwei der drei in „Il trittico“ verbundenen Kurzopern von Giacomo Puccini frappant an jenes „Winterreise“-Projekt, das der Regisseur mit der Mezzosopranistin Anne Sofie von Otter (demnächst bei der Schubertiade in Schwarzenberg zu Gast) jüngst im Theater Basel realisierte.

Man mag sich um die wenigen inhaltlichen Anknüpfungspunkte in „Gianni Schicchi“, „Il tabarro“ und „Suor Angelica“ bemühen oder auch nach Puccinis vage angetönten Absichten hinsichtlich Dantes „Göttlicher Komödie“ mit Hölle, Fegefeuer und Paradies suchen, findet da und dort einen kleinen Hinweis, dass die drei 1918 uraufgeführten Werke nun bei den Salzburger Festspielen in dieser Reihenfolge (und nicht, wie üblich, mit „Gianni Schicchi“ am Schluss) einen Abend bilden, hat allerdings damit zu tun, dass Asmik Grigorian jeweils eine zentrale Rolle innehat. Ist sie im Erbstreit mit dem listigen Schicchi, der die gierigen Verwandten übertölpelt noch die zarte Lauretta, die ihr „O mio babbino caro“ zwar wunderschön klar, aber etwas schulmädchenhaft singt, erfolgt in „Il tabarro“ als Giorgetta die Steigerung als vom Leben enttäuschte Ehefrau und schließlich der dramatische Ausbruch in „Suor Angelica“. Die Geschmeidigkeit des Soprans der gefeierten Künstlerin lässt diese Besetzungsabsicht zu.
Griff in die Kitschkiste
Am Ende gilt der Jubel vor allem ihr, weil Misha Kiria den Schicchi mit derart vielen humorvollen wie diabolischen Facetten bietet und Roman Burdenko und Joshua Guerrero als Michele und Luigi („Il tabarro“) für vibrierende Spannung sorgen, werden auch sie eigens bedacht. Franz Welser-Möst am Pult der Wiener Philharmoniker sowieso, auch wenn er einen schlanken Puccini offeriert, den brillanten Illustrator. Das Leading-Team war sich auch bei der Wahl der Zeit einig, hier gibt es kein spätmittelalterliches Florenz mit entsprechenden Rubato-Möglichkeiten, man bleibt durchwegs in der Gegenwart bzw. in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als Zuschauerin erkennt man dies als praktikable Lösung, auch wenn man die Idee eines Zeittunnels, den Lotte de Beer und Kirill Petrenko in München realisierten, noch in sehr guter Erinnerung hat.

Während Loy nun in Salzburg mit „Gianni Schicchi“ und „Il tabarro“ (hier reiht sich zur Wohnzimmeratmosphäre noch librettogerecht ein Kahn) seinem Ruf als Verfechter einer höchst differenzierten Personenregie absolut gerecht wird, erspart er uns in „Suor Angelica“ zwar die Madonnenerscheinung, greift für das Finale aber in die Kitschkiste. Wenn die junge Nonne, die wegen eines unehelichen Kindes von der adeligen Verwandtschaft in ein Kloster entsorgt wurde, erfährt, dass ihr Sohn längst gestorben ist, tauscht sie nicht nur den Habit mit einem Kleinen Schwarzen und High Heels, sondern raucht zum Gifttrank noch die letzte Zigarette und halluziniert sich das Kind herbei. Sieht herzzereißend aus, doch dieses große Drama hätte die grandiose Stimme von Asmik Grigorian nicht gebraucht.

Weitere Aufführungen bei den Salzburger Festspielen vom 5. bis 21. August. Aufzeichnung am 13. August in ORF 2.


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