Wo man Musik im Liegen genießen konnte

Kultur / 10.08.2022 • 16:30 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Mitglieder des Symphonieorchesters Vorarlberg machten Lust auf die nächste Opernatelier-Produktion der Bregenzer Festspiele. <span class="copyright">BF/Köhler</span>
Mitglieder des Symphonieorchesters Vorarlberg machten Lust auf die nächste Opernatelier-Produktion der Bregenzer Festspiele. BF/Köhler

So geht Weiterentwicklung: Festspielabend mit Ena Brennan in Anwesenheit von David Pountney.

Bregenz Das war eine Überraschung, ein Statement und ein Abend im Programm der Bregenzer Festspiele, der zwar aufgrund des notwendigen kleineren Rahmens nicht sehr viel Breitenwirkung hat, aber dennoch etwas Wichtiges bezeugt, nämlich Weiterentwicklung. Dass sich ein Festival, in dessen Fokus die Umsetzung einer bekannten Oper auf einer großen Seebühne steht, seit einigen Jahren auch durch Ur- und Erstaufführungen charakterisiert, darf man erneut hervorheben. Die belgisch-irische Komponistin Ena Brennan (geb. 1990) erhielt von Intendantin Elisabeth Sobotka, die heuer auch ein neues Werk der deutschen Komponistin Brigitta Muntendorf im Programm hat, einen Kompositionsauftrag, thematisieren und umsetzen wird das Werk bekanntermaßen David Pountney. Der renommierte britische Regisseur und Sobotkas Vorgänger in Bregenz erweist sich seit Jahren als Förderer des neuen Opernschaffens.

Komponistin Ena Brennan. <span class="copyright">BF/Köhler</span>
Komponistin Ena Brennan. BF/Köhler

Im Jänner dieses Jahres hat das Team, zu dem auch der bildende Künstler Hugo Canoilas als Ausstatter zählt, im Rahmen der öffentlichen Einblicke ins Opernatelier erste Ideen verlautbart. Welche Rolle jener Oktopus spielen wird, den sich Pountney bereits imaginiert hatte und an dem auch Canoilas Gefallen fand, war beim spätabendlichen Konzert im Kunsthaus, dem zweiten Auftritt von Ena Brennan in Bregenz, zwar nicht zu eruieren, aber wir haben Mitglieder des Symphonieorchesters Vorarlberg in Funktionen erlebt, die sie hierzulande selten innehaben. Die erwähnte Überraschung bezieht sich darauf, dass Brennan der Geigerin Anita Martinek, dem Geiger Michal Majerski, dem Bratschisten Guy Speyers, dem Cellisten Detlef Mielke und dem Schlagwerker Hermann März nicht eigene Werke übergab, sondern jene von verschiedenen Komponistinnen und Komponisten. Sie machen bewusst, dass die Arbeiten von interessanten Zeitgenossen mit Ausnahme eines kleinen Nischenfestivals in Bludenz und winzigen Initiativen an sich am Bundesland vorbeiziehen, in dem es im Vergleich zur Einwohnerzahl ein ungemein großes Konzertangebot gibt.

David Pountney mit Ausstatter Hugo Canoilas und Komponistin Ena Brennan bei der ersten Vorstellung der Opernatelier-Produktion. <span class="copyright">BF/anja köhler</span>
David Pountney mit Ausstatter Hugo Canoilas und Komponistin Ena Brennan bei der ersten Vorstellung der Opernatelier-Produktion. BF/anja köhler

Da setzen die Bregenzer Festspiele ein Statement und insofern ist es auch so etwas von egal, dass Brennan ihre Auswahl eher hinsichtlich der Vermittlung von Klangerfahrungen traf als hinsichtlich absolut innovativer Schaffensweisen. Nachdem sie von sich selbst nur die Affinität zur elektronischen Musik offenbarte, war schon die Begegnung mit Nico Muhly, Schöpfer mehrerer Opern, inspirierend. Die Neo-Klassik von Olafur Arnalds sowie die Vibraphon-Verwendung beim Werk von Masayoshi Fujita hat ins Kunsthaus-Ambiente gepasst wie nur etwas. Während sich Jordan Wolfson, von dem dort zurzeit großartige Installationen und Videoarbeiten zu sehen sind, an Pop- und Rock-Klassikern bedient, wurde klargestellt, dass plakatives Ein- und Abtauchen auch subtiler geht. Der Deutsche Max Richter ist den meisten als hervorragender Filmkomponist bekannt, John Tavener bekundete Brennans Hang zur Sakralmusik, Bryce Dessner steht für die Rhythmik und Bartoks Pizzicato-Satz aus dem 4. Streichquartett wohl für die Basis. Abgesehen davon, dass es immer wieder gerne gehört wird und dass sich die SOV-Musiker als souveräne Interpreten profilierten. Das gilt auch für den kleinen Verweis auf Strawinsky als Inspirationsquelle vieler Zeitgenossen. Sufjan Stevens behalten die Interpreten hoffentlich als Künstler in Erinnerung, dem sie sich bei ihren weiteren Auftritten einmal widmen könnten, und Linda Buckley und Floating Points bzw. Samuel Shepherd sollten wohl darauf verweisen, dass bei jener Oper, die im Sommer 2024 in Bregenz uraufgeführt wird, elektronische Musik eine Rolle spielt. Die Referenz ließ jedenfalls aufhorchen.

SOV-Schlagwerker Hermann März in Aktion am Vibraphon. <span class="copyright">BF/Köhler</span>
SOV-Schlagwerker Hermann März in Aktion am Vibraphon. BF/Köhler

Das gilt wohl auch für jene, die das Konzert im Kunsthaus sitzend verfolgt haben bzw. sich gerne in aufrechter Kopfhaltung auf die Musikerinnen und Musiker konzentrieren und sich keinesfalls, so die Aufforderung Ena Brennans, „liegend in andere Sphären“ entführen lassen wollten. Womöglich wäre einem da glatt entgangen, dass der eigens angereiste Sir David Pountney nicht davor zurückscheute, sich auf der bereitgelegten Futon-Matte adäquat dem Musikgenuss hinzugeben.

Nächste Uraufführung bei den diesjährigen Festspielen: „Melencolia“ von Brigitta Muntendorf, 18. August, Werkstattbühne.